Liszt / Schubert
Schwanengesang
Can Çakmur
BIS 2530
1 CD/SACD stereo/surround • 80min • 2020
17.01.2021
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
„“Warum?“ – so könnte die naheliegende Reaktion eines Musikliebhabers lauten, der auf dem Programm dieses Albums die Transkription eines vollständigen Liederzyklus erblickt. Im Zeitalter der Urtexte erscheinen bloße Nachahmungen von Originalen wie Ketzerei.“ So schreibt der junge türkische Komponist Can Çakmur im Booklet zu seiner neuen (zweiten) Einspielung mit der Liszt’schen Bearbeitung von Schuberts Liedzyklus Schwanengesang. Die Bezeichnung als Liedzyklus ist hier jedoch im Vergleich zur Winterreise oder Die Schöne Müllerin relativ, denn bei den 14 Liedern handelt es sich um eine Gruppe von Liedern, die Schubert so beabsichtigt haben könnte. Einen inhaltlichen roten Faden wie bei anderen Zyklen gibt es jedoch nicht. Das gab zunächst Franz Liszt, später aber auch Çakmur die Möglichkeit, die Reihenfolge der Lieder zu ändern und so eine Art emotionale Reise mit ihnen auszudrücken.
Dramaturgischer Bogen
Den Rahmen hierfür bilden Liebesbotschaft zu Beginn und Taubenpost als Abschluss. In Liebesbotschaft sendet das lyrische Ich seiner Liebsten über das Bächlein die Botschaft, dass er bald zurückkehre. In Kriegers Ahnung erfährt der Hörer, dass das lyrische Ich sich im Krieg befindet. Die Trostlosigkeit, die sich aus der Situation ergibt, gipfelt in Ihr Bild, das an Traurigkeit kaum zu überbieten ist. Auch wenn diese Lieder eine zusammenhängende Geschichte zu erzählen scheinen, so fallen andere Teile des vermeintlichen Zyklus‘ inhaltlich völlig raus wie beispielsweise Der Atlas oder auch Der Doppelgänger. Mit der von ihm gewählten Reihenfolge der Lieder gelingt es Çakmur jedoch, einen dramaturgisch gelungenen Bogen zu schlagen. Ergänzt wird der Liedzyklus um die vier „Valses oubliés“ von Franz Liszt, die einen schönen Gegenpol zu den teils sehr dramatischen Liedern darstellen.
Die Bearbeitung als ganz eigenes kunstvolles Meisterwerk
Dass der junge türkische Pianist Can Çakmur auf den Bühnen in Erscheinung getreten ist, ist noch gar nicht so lange her: 2017 gewann er den 1. Preis bei dem Scottish International Piano Competition, ein Jahr später selbigen beim Hamamatsu International Piano Competition. Inzwischen war er in zahlreichen wichtigen Konzerthäusern zu erleben und trat mit japanischen und europäischen Orchestern auf. 1997 in Ankara geboren, studierte er zunächst in seiner Heimat, später dann in Paris und aktuell in Weimar. Bereits sein erstes Album mit Werken von Beethoven, Haydn, Schubert, Bartok, Saski und Say war ein großer Erfolg und zeigte sein breit gefächertes Interesse. Da scheint es sehr passend, nun mit den Liszt’schen Schubert-Bearbeitungen auch ein eher seltenes Repertoire – und noch dazu hochvirtuoses – auszuwählen.
Stimmungen und Kontraste
Und tatsächlich wäre es verdient, wenn Çakmur für seine zweite SACD ähnlich ausgezeichnet würde. Ihm gelingt es meisterhaft, die Stimmung und Geschichten hinter Schuberts Liedern einzufangen und umzusetzen – ganz ohne Worte. Auch die von ihm gewählte Reihenfolge wirkt rund und bringt die verschiedenen Stimmungen und Kontraste wunderbar zur Geltung. Durch sein sehr klares und differenziertes Spiel lässt sich ebenfalls mühelos die eigentliche Gesangsstimme verfolgen. Eine ausgesprochen empfehlenswerte Alternative zum gesungenen Original! Man darf sich auf Weiteres dieses vielversprechenden jungen Pianisten freuen.
Verena Düren [17.01.2021]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Franz Liszt | ||
1 | Liebesbotschaft (Bearb. für Klavier aus Schwanengesang S 560 - Vierzehn Lieder von Franz Schubert) | 00:03:27 |
Christian Sinding | ||
2 | Sinfonie Nr. 1 d-Moll op. 21 | 00:06:14 |
Edvard Grieg | ||
3 | Den sildige Rose | 00:02:42 |
Edvard Grieg | ||
4 | Inga Litamor | 00:02:29 |
Edvard Grieg | ||
5 | Album für Männerchor op. 30 | 00:05:26 |
Joseph Haydn | ||
6 | Sinfonie Nr. 46 H-Dur Hob. I:46 | 00:06:31 |
Richard Wagner | ||
7 | Einsam in trüben Tagen (1. Aufzug: Elsa) | 00:05:46 |
Edvard Grieg | ||
8 | Valgsang EG 149 | 00:02:38 |
Edvard Grieg | ||
9 | Impromptu | 00:03:22 |
Franz Schreker | ||
10 | Flammen (Oper in einem Akt) | 00:04:02 |
Christian Sinding | ||
11 | Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 83 | 00:03:12 |
Edvard Grieg | ||
12 | I Himmelen | 00:02:45 |
August Enna | ||
13 | Das Mädchen mit den Schwefelhölzern (Oper in einem Akt) | 00:04:29 |
August Enna | ||
14 | Die Hirtin und der Schornsteinfeger für Orchester und Erzähler (Ballett) | 00:05:08 |
Franz Liszt | ||
15 | Valse oubliée Nr. 1 Sz 215 | 00:03:21 |
16 | Valse oubliée Nr. 2 Sz 215 | 00:06:58 |
17 | Valse oubliée Nr. 3 Sz 215 | 00:05:40 |
18 | Valse oubliée Nr. 4 Sz 215 | 00:03:36 |
Interpreten der Einspielung
- Can Çakmur (Klavier)