Witches, Queens & Heroines
Perfect Noise PN 2004
1 CD • 51min • 2019
14.08.2020
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Hexen sind sie irgendwie alle, Heroinen sowieso, sonst wären sie nicht von Händel komponiert worden, und Königinnen auch dort, wo sie es dem Titel nach nicht sind: Starke, wilde, hemmungslose Frauen mit einer reichen Palette an Emotionen. In ihren Dacapo-Arien sind sie ständigen Wechselbädern der Gefühle ausgesetzt – Klage und Trauer weichen im Mittelteil dem entschlossenen Sich-Aufbäumen gegen das Schicksal oder es finden sich zwischen Wut- und Rache-Äußerungen zwischendurch versöhnliche, nachdenkliche Töne. Silke Leopold hat völlig Recht, wenn sie im Booklet-Text feststellt, dass Händel „mit geradezu psychologischem Einfühlungsvermögen“ bei allen seinen Frauenfiguren „nach den verborgenen Triebfedern ihres Handelns“ sucht.
Das gilt besonders für die böse Zauberin Alcina, deren zehnminütiger Klagegesang des 2. Aktes („Ah, mio cor, schernito sei“) in die Abgründe ihrer Seele leuchtet. Doch Mitleid bekommt man auch mit ihrer Hexen-Kollegin Melissa, die in der frühen Oper Amadigi di Gaula (1715) ihre Liebesenttäuschung bejammert („Ah spietato, e non ti muove“). Im wilden Meer des Lebens trotzen Adelaide (Lotario) und Cleopatra (Giulio Cesare in Egitto) allen Stürmen und sogar dem Schiffbruch. Das sind Virtuosennummern vom Feinsten, aber immer der dramatischen Wahrheit verpflichtet.
Gewagt und gewonnen
Die deutsche Sopranistin Margriet Buchberger und das vor drei Jahren gegründete Ensemble Il Giratempo haben sich mit diesem Recital angesichts einer hochkarätigen Konkurrenz auf dem „Barock-Markt“ sehr viel vorgenommen – und auf der ganzen Linie gesiegt. Sängerin und Instrumentalisten scheinen vor Vitalität zu bersten, sie bringen die Musik zum Glühen und manchmal fast zum Explodieren. Margriet Buchberger erweist sich als eine Primadonna, die sich nicht in selbstgefälliger Bravour erschöpft, sondern ganz in den dargestellten Charakteren aufgeht, und damit findet sie auch die notwendigen farblichen Abstufungen – Alcina klingt anders als ihre kleine Schwester Morgana, Cleopatra anders als Medea. Die Stimme der Sängerin ist körperreich, attraktiv und in allen Lagen gut durchgebildet, d.h. satt in der Tiefe und von großer Leuchtkraft in den Spitzentönen, die Koloraturen kommen messerscharf. Und die 15 Musiker unterstützen sie nicht nur, sondern scheinen sie beständig zu Bestleistungen anzufeuern. Die Akustik in der Wuppertaler Immanuelskirche bedingt einen starken Hall, der zu einem geradezu ozeanischen Klangwogen führt, was am Kopfhörer mit der Zeit etwas anstrengt, zu der wiederkehrenden Meeres-Metaphorik in einigen Arien aber ganz gut passt.
Ekkehard Pluta [14.08.2020]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Georg Friedrich Händel | ||
1 | Morirò, ma vendicata (5. Akt, 1. Szene, Medea - Teseo HWV 9) | 00:04:23 |
2 | Ombre pallide (2. Akt, 13. Szene, Aria: Alcina - Alcina HWV 34) | 00:06:20 |
3 | Scherza in mar la navicella (1. Akt, 10. Szene, Adelaide - Lotario HWV 26) | 00:05:29 |
4 | Or mi perdo di speranza (1. Akt, 13. Szene, Laodice - Siroe, re di Persia HWV 24) | 00:04:42 |
5 | Al varco, oh pastori (1. Akt, 7. Szene, Atalanta - Atalanta HWV 35) | 00:01:31 |
6 | Ah spietato (1. Akt, 4. Szene, Melissa - Amadigi di Gaula HWV 11) | 00:05:23 |
7 | Da tempeste il legno infrato (3. Akt, 7. Szene, Cleopatra - Giulio Cesare in Egitto HWV 17) | 00:06:06 |
8 | Credete al mio Dolore (3. Akt, 1. Szene, Morgana - Alcina HWV 34) | 00:06:58 |
9 | Ah! mio cor (2. Akt, 1. Szene, Aria: Alcina - Alcina HWV 34) | 00:10:18 |
Interpreten der Einspielung
- Margriet Buchberger (Sopran)
- Il Giratempo (Ensemble)