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Besprechung CD

Julius Röntgen

Piano Concertos 3, 6 & 7

cpo 555 055-2

1 CD • 70min • 2017

10.10.2019

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 7
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 7

Dass der 1855 in Leipzig geborene, aber hauptsächlich in den Niederlanden wirkende Julius Röntgen nicht weniger als sieben Klavierkonzerte schrieb, verwundert nicht mehr, erfährt man, dass er auch Komponist von 14 Violoncellosonaten, 16 Streichtrios und mehr als 20 Symphonien ist. Viel zu komponieren war für Röntgen offensichtlich etwas ganz Natürliches, zumal ihn sein satztechnisches und instrumentatorisches Können befähigten, jeden musikalischen Einfall handwerklich sicher auszuarbeiten und ihn in einen gut entworfenen Formplan einzufügen.

Davon legen auch die drei Klavierkonzerte Zeugnis ab, die Oliver Triendl zusammen mit dem Symphonie-Orchester Kristiansand unter Hermann Bäumer auf der vorliegenden CD eingespielt hat. Es handelt sich um sehr unterschiedliche Stücke aus verschiedenen Lebensphasen des Komponisten. Das 1887 komponierte Konzert Nr. 3 ist ein verhältnismäßig frühes Werk. Wie das Zweite Klavierkonzert von Brahms, das Röntgen noch unter der Leitung des Komponisten gespielt hat, ist es viersätzig. Auch in der Harmonik hat Brahms deutliche Spuren hinterlassen. Dagegen finden sich in Röntgens Werk kaum Anzeichen der Rhythmik und Periodenformung, die Brahmsens Kompositionen so spannungsvoll machen. Der Stil des älteren Meisters wirkt durchaus ins Idyllische übersetzt. Die gelegentlichen Anklänge an nordeuropäische Volksmusik, die Röntgen, der Freund Edvard Griegs, hören lässt, fügen sich dem gut ein. Wenn Jurjen Vis im Beiheft schreibt, Röntgens kompositorische Aktivität habe sich oft an Musik entzündet, „die ihn überdurchschnittlich beschäftigte“, so trifft das meines Erachtens den Nagel auf den Kopf. Er war ein eklektisches Talent, allerdings keines, das es sich in einer bestimmten Schreibweise bequem gemacht hätte. Im Gegenteil: Gerade das vielgestaltige Schaffen seiner letzten Lebensjahre zeugt von einer sympathischen Neugier. Wenn ein Musikwissenschaftler eine Arbeit darüber schreiben möchte, wie ein im Grunde konservativer Komponist um 1930 verschiedene Traditionen des 19. Jahrhunderts nebst Anregungen jüngerer Zeitgenossen reflektiert, er fände in Röntgens Spätwerk ein ideales Thema für seine Studien. Die beiden um die Jahreswende 1929/30 komponierten Klavierkonzerte Nr. 6 und 7 verdeutlichen diesen Abwechslungsreichtum. Röntgen betrachtete beide Stücke als ein zusammenhängendes Werk, als „siamesische Zwillinge“. Gewiss, Zwillinge mögen sie sein, doch klingen sie mir eher zweieiig als siamesisch, denn abgesehen von der kurzen Spieldauer von jeweils wenig mehr als einer Viertelstunde und einer sparsamen, kammermusikalisch anmutenden Instrumentation, haben sie kaum etwas gemeinsam. Hintereinander gespielt, erinnert ihre Konstellation an Mozarts Fantasie und Sonate c-Moll. Im Gegensatz zu diesen hängen Röntgens Konzerte jedoch weder tonal noch motivisch miteinander zusammen. Nr. 6 in e-Moll besteht aus einem einzigen, in mehrere kurze Abschnitte unterteilten Satz, der wie eine auskomponierte Improvisation wirkt (die Kadenz ist tatsächlich vom Solisten zu improvisieren). Mancher Einfall lässt aufhorchen, etwa die lebhafte Passacaglia für Klavier und Streicherbässe. Eine zielgerichtete Entwicklung kommt allerdings nicht zustande, die Verarbeitung der stets gut erkennbaren Themen bleibt episodisch, so dass ich darüber im Zweifel bin, ob Vis' Behauptung, die „Zwillinge“ könnten ganz gut auf eigenen Füßen stehen, auf dieses Werk zutrifft. Es macht doch eher den Eindruck einer Einleitungsmusik. Nr. 7 in C-Dur jedoch wirkt als selbständiges Stück gleichermaßen wie in Kombination mit der vorbereitenden Nr. 6. Zweifellos ist es das stärkste der drei dargebotenen Werke. Der schwungvolle, mit einfachen, barockisierenden Themen arbeitende Kopfsatz, das weitgehend als kammermusikalischer Dialog des Klaviers mit einem Solo-Violoncello gestaltete Allegretto und das folkloristisch angehauchte Finale im 3/4-Takt, das in c-Moll steht und kein bisschen finster klingt: Alles ist knapp gefasst, auf den Punkt gebracht, und von Anfang bis Ende mit Frische erfüllt.

Mit Hermann Bäumer und Oliver Triendl haben sich zur Aufnahme dieser Scheibe zwei Musiker zusammengetan, deren Wirken im Dienste selten gespielter Musik in beiden Fällen zu einer reichen diskographischen Ernte geführt hat. Die vorliegenden Röntgen-Aufführungen wird man aber kaum zu Triendls oder Bäumers besten Leistungen rechnen können, was vor allem der tendenziell zu zaghaften Direktion Bäumers zuzuschreiben ist. Das Orchester spielt ordentlich den Notentext, aber viele Möglichkeiten, Melodien, Perioden, Steigerungszüge auf ihre Zielpunkte hin zu entwickeln, Formung hörbar zu machen und dadurch den Zusammenhang der Musik zu kräftigen, bleiben ungenutzt, und Triendls technisch sicheres, routiniertes Spiel arbeitet dem leider nicht entgegen. Besonders ohrenfällig wird dies im Kopfsatz des Siebten Klavierkonzerts mit seiner an Bach und Händel erinnernden Diktion, der durch die gleichförmige Artikulation viel zu akademisch klingt. Röntgen mag keiner der großen Komponisten seiner Zeit gewesen sein, doch bin ich mir sicher, dass sich aus seinen Partituren mehr Qualität zu Ohren bringen lässt als in diesen Darbietungen geschehen.

Norbert Florian Schuck [10.10.2019]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Julius Röntgen
1Klavierkonzert Nr. 3 d-Moll 00:34:01
5Klavierkonzert Nr. 6 e-Moll 00:17:16
6Klavierkonzert Nr. 7 C-Dur 00:18:36

Interpreten der Einspielung

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