Mahler
Resurrection
BIS 2296
1 CD/SACD stereo/surround • 85min • 2017
26.02.2019
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Schon gleich beim scharf angerissenen Streicher-Tremolo des Beginns wird klar: Dies ist keine herkömmliche Mahler-Einspielung, im Gegenteil, hier wird Hochspannung generiert und auf der Stuhlkante musiziert. Man könnte einwenden, dass dies bei einer Interpretation der Auferstehungssinfonie eigentlich selbstverständlich sein sollte, doch ist dies leider nicht so. Schon vor Jahrzehnten wurde Mahler der „Niedergang zum Klassiker“ prophezeit, und nun, da seine Musik zum Kanon gehört und niemand mehr für diesen Komponisten eine Lanze brechen muss zumal die Orchester technisch immer versierter werden, hat sich so etwas wie gelangweilte Perfektion in die Mahler-Interpretation eingeschlichen, ein Sich-Einpendeln auf den gar nicht so goldenen Mittelweg des philharmonischen Wohlklangs. Durch eine solche Herangehensweise jedoch versinkt Mahlers Musik in pathosgeschwängerte Langeweile.
Von Langeweile ist bei Osmo Vänskä und dem Minnesota Orchestra, wie erwähnt, nichts zu spüren. Zum einen befolgen die Musiker das bei Mahler so wichtige Primat der Deutlichkeit – wobei sie vom hervorragenden SACD-Klangbild nach Kräften unterstützt werden. Eine detailreichere, transparentere und gleichzeitig dynamischere Aufnahme der Zweiten Sinfonie wird man schwerlich finden. Das betrifft alle Sätze gleichermaßen, zeitigt aber naturgemäß besondere Dividende im Schlusssatz, der Schilderung des Jüngsten Gerichts, bei dem es auf optimale Klangorganisation ebenso ankommt wie auf sinnstiftende Interpretation. Die Beteiligung des Fernorchesters – sein zeitweises allmähliches Näherkommen sowie die mysteriösen Fanfaren vor dem Einsetzen des Chores – ist phänomenal eingefangen. Und auch im größten Getümmel der letzten irdischen Momente der Menschheit ist jedes noch so kleine Detail zu vernehmen.
Ebenso befolgt Vänskä aufs Genaueste die in der Partitur angegebenen Tempoentwicklungen, ohne dabei das große Ganze aus den Augen zu verlieren; dass er ganz gelegentlich übers Ziel hinausschießt – etwa, wenn es im zweiten Satz lediglich heißt „Etwas drängend“ und wir stattdessen ein ausgewachsenes „molto accelerando“ zu hören bekommen – kann man ihm nicht wirklich übelnehmen. Übrigens zeigt er in diesem Satz, weit mehr als gemeinhin üblich, wie viel Humor Mahlers Musik auch besitzen kann. Und auch in der weihevollen Schlichtheit des „Urlichts“ wissen die Interpreten zu überzeugen – nicht zuletzt die Mezzosopranistin Sasha Cooke, die sich in Sachen Wortverständlichkeit und edler Zurückhaltung vor großen Vorbildern nicht verstecken muss.
Gibt es auch etwas zu kritisieren? Höchstens dann, wenn man in der Auferstehungssinfonie nicht nur perfekte Orchesterleistung, phänomenale Klangtechnik und eine überzeugende formale Dramaturgie erleben möchte, sondern auch eine spirituelle Reise vom Tod zur Auferstehung. Auch dies zeigt sich bereits in den ersten Takten: Vänskä und dem Orchester ist hörbar mehr daran gelegen, brodelnde Spannung zu erzeugen als den „durchaus ernsten und feierlichen Ausdruck“, wie ihn die Partitur fordert, zu Klang werden zu lassen. Wir erleben in dieser Sinfonie hier eher eine aufregende Entdeckungsfahrt durch ständig wechselndes, teils auch vermintes Terrain als eine musikalische Himmelfahrt. Dazu passt auch, dass die Interpretation nach dem Einsetzen des Chores keine wirklichen weiteren Überraschungen mehr zu bieten hat. Aber musikalisch und klanglich ist auch der Schluss auf höchstem Niveau musiziert. Und fürs Spirituelle kann man sich ja an Bruno Walter oder Leonard Bernstein wenden.
Thomas Schulz [26.02.2019]
Anzeige
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Gustav Mahler | ||
1 | Sinfonie Nr. 2 c-Moll (mit Sopransolo, Altsolo und gemischtem Chor nach Worten aus "Des Knaben Wunderhorn" und von Klopstock/Mahler) | 01:24:38 |
Interpreten der Einspielung
- Ruby Hughes (Sopran)
- Sasha Cooke (Mezzosopran)
- Minnesota Chorale (Chor)
- Minnesota Orchestra (Orchester)
- Osmo Vänskä (Dirigent)