Bach - Chopin
TYXart TXA17097
1 CD • 71min • 2017
13.09.2017
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Nicht jeder denkt bei dem Namen Chopin sogleich an Bach. Und nicht jeder Pianist würde Bachs Französische Suiten Chopins Mazurken gegenüberstellen. Die Pianistin Alexandra Sostmann schon, und Teresa Pieschacón Raphael bestärkt sie im ausführlichen Booklet darin, auf dieser CD Chopins Bachbewunderung und Bachnähe spielerisch zu demonstrieren. Und dies mit hörbarem Erfolg. Chopins erster Klavierlehrer hat ihm die Bach-Liebe eingepflanzt, Bachs Wohltemperiertes Klavier war für Chopin die Klavier-Bibel schlechthin, unermüdlich hat er Bachs Gesamtwerk studiert, auch während er Mazurken komponierte, Bach altere nie, sagte er einmal.
„Delicatissimo“ ist verlangt in der Mazurka op. 17 Nr. 4, und „delicatissimo“ könnte als bezeichnender Titel über der ganzen CD stehen. Delikatesse, also sensible Feinheit, geschmackliches Fingerspitzengefühl, Empfindungsfähigkeit, dazu ein immer leuchtender Ton: All dies prägt das Spiel der Pianistin so, dass man das wohlige Gefühl bekommt, ja, so müsse man dies spielen, so müsse dies klingen. Ein singendes, ein ziehendes, also zielbestimmtes Legato, glasklare Diktion, ein „sauberes“ pathosfreies und damit „schmuddelfreies“ Spiel vermitteln das Gefühl von legitimierter Transparenz.
Mit den Rubati geht Alexandra Sostmann sorgfältig um, verwendet sie wirklich ganz gezielt: Sie schmachtet also nicht. Trotzdem würde sich der Rezensent einmal wünschen, diese Mazurken im strengen Rhythmus – wenigstens in der linken Hand – zu hören und Rubati oder Ritardandi nur zu erleben, wenn sie wirklich vorgeschrieben sind: „In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister, / Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben.“, sagt ja schon Goethe im Gedicht „Natur und Kunst“. So dürfte der Mazurka-Rhythmus in der cis-Moll-Mazurka op. 63 Nr. 3 ruhig streng durchgehalten werden, die Pianistin wagt da rhythmische Verlangsamungen, die fast ins Jazzartige gehen. Sehr schön gelingt die a-Moll-Mazurka op. 7 Nr. 2 mit fein ausgehorchten chromatischen Gängen, harmonischen Kühnheiten und Triolen-Überwucherungen. Und hochinteressant ist es zu hören, wie die cis-Moll-Mazurka op. 50 Nr. 3 bei aller sich kühn emporschraubenden chromatischen Harmonik sich der Tanz-Form nur noch bedient, um eine Art Mazurka-Fantasie zu produzieren – was ja nun dem Verfahren bei Bachs Suiten sehr nahe kommt. Hier scheint man zu hören, wie Chopin Bach im Ohr hat. Das „Lento“ in der a-Moll-Mazurka op.68 Nr. 2 ist so bedeutungsvoll langsam, dass die Zeit still zu stehen scheint, und in der f-Moll-Mazurka op. 68 Nr. 4 –Chopins letzter Komposition überhaupt – scheinen die Töne sanft leuchtend zu verwehen.
Die die Mazurken umrahmenden Französischen Suiten Nr. 3 und Nr. 5 sind ein Labsal an bedachtsamer Klarheit und Gradlinigkeit. Die von der Pianistin gewollten Bezüge kommen deutlich zum Vorschein: Musik ist Tanz, scheint diese CD sagen zu wollen. Die Allemande aus der Französischen Suite Nr. 5 scheint mit ihrem innig-melismatischen Fluss charakterlich, die Sarabande aus der Suite Nr. 3 mittels klug eingesetztem Pedal klanglich und die darauffolgende kapriziös-stilisierte Anglaise rhythmisch auf Chopin zu verweisen: musikgeschichtliche Bezüge, die ein intensives Hörvergnügen möglich machen.
Der leuchtende Ton auch im hohen Diskant und die satte Sonorität des Basses des verwendeten Steinway-Flügels sind hervorragend in einem leicht halligen Raum eingefangen und steigern dieses Hörvergnügen auch rein kulinarisch.
Rainer W. Janka [13.09.2017]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Johann Sebastian Bach | ||
1 | Französische Suite Nr. 5 G-Dur BWV 816 | 00:17:57 |
Frédéric Chopin | ||
8 | Mazurka fis-Moll op. 6 Nr. 1 | 00:03:18 |
9 | Mazurka C-Dur op. 24 Nr. 2 | 00:02:19 |
10 | Mazurka a-Moll op. 17 Nr. 4 | 00:04:31 |
11 | Mazurka b-Moll op. 24 Nr. 4 | 00:05:23 |
12 | Mazurka cis-Moll op. 63 Nr. 3 | 00:02:22 |
13 | Mazurka a-Moll op. 7 Nr. 2 | 00:03:30 |
14 | Mazurka a-Moll op. 67 Nr. 4 (op. posth.) | 00:03:04 |
15 | Mazurka cis-Moll op. 50 Nr. 3 | 00:05:45 |
16 | Mazurka a-Moll op. 68 Nr. 2 (op. posth.) | 00:03:29 |
17 | Mazurka f-Moll op. 68 Nr. 4 (op. posth.) | 00:03:30 |
Johann Sebastian Bach | ||
18 | Französische Suite Nr. 3 h-Moll BWV 814 | 00:15:58 |
Interpreten der Einspielung
- Alexandra Sostmann (Klavier)