Bernhard Hofstötter
Ich ruf zu dir

Querstand VKJK 1606
1 CD • 62min • 2015
05.08.2016
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Gerade einmal dreieinhalb Minuten dauert Johann Sebastian Bachs Choralvorspiel „Ich ruf zu Dir, Herr Jesu Christ“ BWV 639, doch Bernhard Hofstötter hat sein neues Album nach diesem wundersamen Stück benannt – wenn man an dieser Produktion etwas schade finden kann, dann nur, dass der Wiener Lautenist nicht noch weitere Bach‘sche Choralvorspiele für sein Instrument bearbeitet und hier vorgestellt hat. Doch das kann ja noch kommen!
Dieser Titel ist eine Vorankündigung des Eindrucks, den Hofstötter allein aus seinem Spiel heraus, ohne, dass er das groß mitteilen müsste, auch in den reinen Instrumentalwerken Bachs, Silvius Leopold Weiss‘ und David Kellner hinterlässt: dass er nämlich anscheinend auch Suite, Sonate und Chaconne für Laute solo als subkutan geistlich, zumindest aber als mit spirituellem Sinn erfüllt auffasst. Wie schon in seiner hinreißenden Weiss-CD „Dresden – Moskau“, die an dieser Stelle Höchstbewertungen erhalten hat, zeigt sich Hofstötter informiert von den Erkenntnissen der Historisierenden Aufführungspraxis, doch zum Glück nicht von deren manierierten Bescheidenheiten angekränkelt.
Vielmehr offenbart sich in den einzelnen Sätzen ein sicheres Gespür für empfindsam aufgefangene Melodieschlüsse, expressive Neueinsätze, und auch Triller werden unaufdringlich, als schmückendes Beiwerk präsentiert, ohne allzu galante Übertreibung. Wer dieses Stück im Original nicht kennt, wird in Johann Sebastian Bachs 2. Violoncellosuite nicht bemerken, dass es für das Zupfinstrument bearbeitet wurde, so idiomatisch ist Hofstötters eigene Einrichtung gehalten. Die Sarabande etwa verströmt sich als ein einziger, weiter Gesang von tiefstem Ernst. Auch in den schnelleren Tänzen fasziniert, mit welcher kantablen Tragfähigkeit Hofstötter das Zupfinstrument, eine herrlich klingende 13-chörige Barocklaute nach Thomas Edlinger d. J. im Nachbau Martin Hurrtigs von 2013, behandelt.
Seinen so phantasievollen und sprechenden Deutungen originaler Lautensonaten von Silvius Leopold Weiss fügt Hofstötter nun diejenige der Sonate g-Moll WeissSW 25 hinzu, und wieder ist sowohl die Bewegungsenergie des Tanzgestus gewahrt als auch die hochwache Artikulation der letzten Feinheiten dieser Sätze. Ganz offenbar hat Hofstötter immer eine genaue Vorstellung von den harmonischen Progressionen der Einzelsätze und vermag es dazu auch, einen Bogen über das ganze ausgreifende Werk herzustellen. Von besonderem Interesse ist die beschließende Chaconne A-Dur des in Stockholm wirkenden David Kellner (1670 – 1748), ein Kleinod von zartem Ausdruck.
Bleibt das titelgebende Choralvorspiel „Ich ruf zu Dir, Herr Jesu Christ“, das in der schlichten Bearbeitung Wilhelm Kempffs berühmt wurde. Hier ist das kontrapunktische, harmonische, gesangliche und nicht zuletzt emotional-religiöse Denken Bachs auf engstem Raum zusammengefasst. Das man muss man selbst hören und empfinden. Bleibt der Wunsch, auf dem nächsten Lautenalbum Bernhard Hofstötters wenigstens eine kleine Auswahl an weiteren Choralvorspielen zu entdecken!
Prof. Michael B. Weiß [05.08.2016]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Sylvius Leopold Weiss | ||
1 | Ciacona g-Moll WeissSW 14.6 | 00:04:25 |
Johann Sebastian Bach | ||
2 | Suite No. 2 d minor BWV 1008 for Violoncello solo | 00:19:40 |
8 | Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ BWV 639 | 00:03:30 |
Sylvius Leopold Weiss | ||
9 | Sonate g-Moll WeissSW 25 | 00:22:13 |
David Kellner | ||
15 | Chaconne A-Dur | 00:11:53 |
Interpreten der Einspielung
- Bernhard Hofstötter (Laute)