Carlo Farina
Consort Music
Dresden 1627

cpo 555 034-2
1 CD • 72min • 2015
30.08.2016
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Wenn man eines der originalen Stimmbücher durchblättert, in welchem das auf dieser Produktion versammelte Repertoire überliefert wurde, kann man kaum etwas von der Sinnlichkeit erahnen, welche die Musiker hier ausleben: Unter dem originalen Titel „Ander Theil Neuer PADUANEN, GAGLIARDEN, COURANTEN, Französischen Arien, benebenst einem kurzweiligen Quodlibet/von allerhand seltsamen Inventionen, dergleichen vorhin im Druck nie gesehen worden/Sampt etlichen Teutschen Tänzen/alles auff Violen anmutig zu gebrauchen“, versammeln die alten Bücherdrucke die jeweiligen Einzelstimmen zu circa 30 kurzen Stücken, vor allem Tänzen, die meist eher schmucklos durchnummeriert sind. Man kann sich das praktisch so vorstellen, dass die Musiker sich auf eines oder mehrere Stücke verständigten, und dann einer oder mehrere Instrumentalisten aus ihren jeweiligen Stimmbüchern spielten.
In einer sehr schön ausgewählten Auswahl aus Carlo Farinas Dresdner Musik für Instrumentalkonsort – das im Titel genannte Capriccio Stravaganza fehlt leider – erwecken die Musiker der Accademia del Ricercare unter ihrem Leiter Pietro Busca diese Stimmbücher zum Leben. Ein schönes Beispiel, wie der Nummernkatalog möglicherweise zu kleinen Reihungsformen kombiniert wurde, gibt Track 4: Da rahmt die bloß von Flöten intonierte, zwei Mal gespielte Corrente Nr. 2 die Nr. 4 ein, die nur mit Gamben und Basso Continuo besetzt ist. Die beiden Stücke antworten aufeinander, die ganz unterschiedlich klingenden Ensembles zeigen den Reichtum der Instrumentenfamilien des 17. Jahrhunderts, welche ungleich weniger reglementiert und uniformiert waren als heute.
Gerade ein so weitgereister Musiker und Komponist wie Carlo Farina dürfte auf seinen vielen Stationen in Mantua, Dresden, Bonn, Parma, Lucca, Danzig und schließlich Wien, wo er 1639 mit ungefähr 40 Jahren verstarb, unterschiedlichste regionale Musizierpraxen kennengelernt haben. In den hübschen kontrapunktischen Auflockerungen dieser frühen Instrumentalmusik kann man vielleicht auch den Einfluss Heinrich Schütz´ feststellen, des Deutschen, der seinerseits in Italien gelernt hatte, und der nun möglicherweise den jüngeren Italiener kompositorisch beriet. In Dresden sind auch die fünf Bände mit Tänzen, Arien und Sonaten für zwei bis vier Stimmen erschienen. Die 72 Minuten dieses Albums entwickeln einen instrumentalen und interpretatorischen Abwechslungsreichtum, der im nackten originalen Notentext nicht vorgegeben ist (und der übrigens klangtechnisch überaus natürlich und mit angenehm sparsamem Hall eingefangen wurde).
Die insgesamt 16 Musiker der Accademia del Ricercare bilden ein veritables kleines Orchester mit Holzbläsern, Streichern, Zupf- und Tasteninstrumenten und einem reizvoll eingesetzten Schlagzeug (man höre etwa die lustig klickenden Klanghölzer in der 1. Volta, Tr. 5). Möglich sind aber, etwa in der zweiten Aria Francesca, auch kleine Besetzungen, in denen etwa die Blockflöte in einem intimen Gesang zu hören ist – wunderbar dann die Antwort der schnarrenden barocken Dudelsäcke (die man leider im Beiheft nicht in Abbildung sehen kann).
Ein letzter großer Vorzug ist, dass zwischen schnellen, tänzerischen Tempi und gemächlichen Gangarten, besonders bei einigen Pavanen, eine große Bandbreite an Bewegungsmustern ausgelotet wird. Bleibt nur eine Frage: Warum spielt der Ensembleleiter Pietro Busca, ein ausgebildeter Trompeter, nicht bisweilen selbst mit? Abgesehen von dem Effekt, den ein ab und an aufblitzender Zink gemacht hätte, wäre diese Praxis auch historisch angemessen gewesen.
Prof. Michael B. Weiß [30.08.2016]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Carlo Farina | ||
1 | Brandi (à 4) | 00:09:02 |
2 | Pavana Seconda (à 4) | 00:06:40 |
3 | Galliarda Sesta | 00:02:52 |
4 | Corrente Seconda | 00:02:31 |
5 | Volta Prima (à 4) | 00:01:37 |
6 | Aria Franzesa Seconda | 00:03:32 |
7 | Mascherada (à 4) | 00:09:58 |
8 | Sonata detta la Greca | 00:08:03 |
9 | Pavana Seconda (à 4) | 00:05:12 |
10 | Galliarda Tertia (à 4) | 00:01:06 |
11 | Pavana III a 4 | 00:06:52 |
12 | Galliarda Prima | 00:06:14 |
13 | Balletto Allemanno | 00:03:02 |
14 | Bourrée I | 00:03:30 |
15 | Volta Prima (à 4, 1628) | 00:01:17 |
Interpreten der Einspielung
- Accademia del Ricercare (Ensemble)
- Pietro Busca (Dirigent)