Shostakovich
Under Stalin's Shadow
DG 00289 479 5201
2 CD • 2h 37min • 2015, 2016
04.07.2016
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Nach der fulminanten Einspielung der Zehnten ist dieses Doppelalbum mit den Sinfonien 5, 8 und 9 nun die zweite Folge der Gesamtaufnahme der Schostakowitsch-Sinfonien mit Andris Nelsons und dem Boston Symphony Orchestra. Volume drei mit den Nummern sechs und sieben ist bereits angekündigt. Und alle stehen unter dem Motto „Under Stalin′s Shadow“. Auch wenn dies im Falle der mittleren Sinfonien nicht ganz unberechtigt sein mag, stellt sich die Frage, ob eine solche thematische Klammer unbedingt nötig ist, wird doch Nelsons selbst im Beihefttext mit dem Satz zitiert: „Die Größe von Schostakowitschs Musik liegt jenseits aller Politik“. Und wie wird dann die Einspielung der Fünfzehnten übertitelt sein – „Under Breshnev′s Shadow“?
Wie dem auch sei – Andris Nelsons stellt seine Affinität zu Schostakowitschs Musik in dieser Neueinspielung ein weiteres Mal unter Beweis. Es handelt sich durchweg um tiefempfundene, hochemotionale Interpretationen, die zudem, zumindest über weite Strecken, ein imponierendes Gespür für die Struktur der Werke verraten. Vor allem die Achte ist hervorragend gelungen – vom unter permanenter Hochspannung stehenden Kopfsatz bis hin zum nicht leicht in den Griff zu bekommenden Finale, das hier endlich einmal nicht in der Wirkung abfällt, sondern den ebenso logischen wie berührenden Schlusspunkt einer großangelegten Entwicklung markiert. Fast durchweg zu beeindrucken weiß Nelsons auch in der Fünften, jener „Rehabilitations-Sinfonie“, die mit ihrem plakativen und eindeutig zweideutigem Schlussjubel scheinbar die Gesetze des Sozialistischen Realismus erfüllte und auf diese Weise den Komponisten – nach dem Ärger, den er sich mit seiner Oper „Lady Macbeth von Mzensk“ auf höchster Ebene eingehandelt hatte – vorerst aus der Gefahrenzone holte. In diesem Werk entgeht Nelsons jedoch nicht immer der Gefahr, in dem Wunsch, jedes einzelne Detail der Partitur quasi mit Ausrufezeichen zu präsentieren, gleichzeitig das große Ganze aus den Augen zu verlieren.
Die Doppelbödigkeit schließlich, die aus beinahe jedem Takt der ironischen Neunten spricht, ist schon punktgenauer, trockener realisiert worden – am schlagendsten wohl vor langer Zeit von Kirill Kondraschin. Dafür punktet die neue Einspielung mit einem warmen und volltönenden Orchesterklang – vorbildlich transparent trotz einer gewissen Basslastigkeit. Schlussendlich sei auf Nelsons′ Angewohnheit hingewiesen, die Musik durch gelegentlich ziemlich laute und fauchende Atemgeräusche vokal zu unterstützen. Das ist natürlich ein authentischer Teil der Live-Situation – gewöhnen muss man sich aber trotzdem daran.
Thomas Schulz [04.07.2016]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Dimitri Schostakowitsch | ||
1 | Sinfonie Nr. 9 Es-Dur op. 70 | |
6 | Sinfonie Nr. 5 d-Moll op. 47 | |
CD/SACD 2 | ||
1 | Suite op. 32a (from the Incidental Music Hamlet) | |
8 | Sinfonie Nr. 8 c-Moll op. 65 |
Interpreten der Einspielung
- Boston Symphony Orchestra (Orchester)
- Andris Nelsons (Dirigent)