Chung | Argerich | Angelich
Live at the Théâtre d'Orange
BelAir classiques BAC132
1 DVD-Video • 1h 56min • 2015
03.06.2016
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Die Veröffentlichung des vorliegenden Mitschnitts aus dem Théâtre antique d’Orange fällt in die Geburtstagsfeierlichkeiten der Pianistin Martha Argerich rund um den 5. Juni. Mit dem beliebten Doppelkonzert von Poulenc ist sie auch arbeitsteilig-solistisch aktiv. Der Hauptdarsteller sozusagen ist jedoch der südkoreanische Dirigent Myung-Whun Chung, dessen 15. Saison an der Spitze des Orchestre Philharmonique de Radio France mit dem Konzert am 10. Juli des vergangenen Jahres gewürdigt und seitens des Publikums auch kräftig bejubelt wird. Im mittleren Kraftfeld des fast zweistündigen Programms stehen das erwähnte Konzert für zwei Klaviere und die so genannte Orgelsymphonie von Saint-Saens. Und sieht man einmal von der reichlich unbekümmert servierten Rachmaninoff-Zugabe ab, so konzentriert sich der (damals) 62jährige Chung in seinem Jubiläumskonzert auf rein französisches Repertoire. Berlioz‘ Carnaval romain und das Carmen-Vorspiel bilden den unterhaltsamen Rahmen und genügend Spielraum für das Orchester, in voller Fahrt und im Rahmen seiner Möglichkeiten auch leise-differenziert zu agieren, wobei schon in der Berlioz-Eröffnung Chungs stramme, oft geradezu militärisch anmutende Gestik die gestalterischen Grundzüge erkennen lässt.
Im Verlauf des Poulenc-Konzerts zeigt es sich einmal mehr, dass zwei namhafte Pianisten mit Verve, mit Lust und Laune zusammen musizieren können, aber selbst auf der Basis guter, ja super brillanter Technik nicht automatisch auch ein klaglos funktionierendes Klavierduo abgeben. Mit Martha Argerich und Nicholas Angelich handelt es sich um zwei rein manuell betrachtet unterschiedlich vom musischen Schicksal begünstigte Interpreten. Und auch vom Temperament her mag man an andere Virtuosinnen und Virtuosen denken, die in den rasanten Passagen der Ecksätze ein gesundes Gegengewicht zur schuss- und treffsicheren Vorwärtsstrategin garantieren könnten. Unregelmäßigkeiten und gestalterische Reibungen gehen zum Glück im Brio à la francaise unter, während rein melodische Sequenzen unbarmherzig offenlegen, wenn sich zwei Spieler nur dann und wann zusammentun, also die Allianz ihrer Kantilene nicht auf langer Zusammenarbeit und der daraus folgenden emotionalen wie organisatorischen Übereinstimmung basiert.
Man kann das hörend – ja sogar sehend! – verfolgen, wenn im ersten Satz nach dem eröffnenden Tonrepetitionsgeknatter melodische Zweisamkeit angeraten ist. Martha Argerich und Nicholas Angelich sind hier nun wirklich nicht „zusammen“. Zum Nachteil der Akteure zeigt die Videoregie des insgesamt sehr klug und stimmungsvoll operierenden Andy Sommer in dieser Phase beide Tastaturen, so dass die Unstimmigkeit prominent ins Bild gerückt ist.
Martha Argerich hat das Poulenc-Konzert mit mehreren Kollegen ausprobiert. Konzertaufführungen, bzw. Radioübertragungen sind mir zusammen mit Bertrand Chamayou (La Roque d’Antéron 2012), mit Alexander Gurning (Lugano 2015) oder auch mit Alexandre Rabinovitch bekannt. Sie alle reichen nicht an die hauptberuflich und mit weit gespanntem Repertoire auftretenden Spitzen-Duos heran, in deren engen Kreis sich nicht von ungefähr die Geschwister- und Ehepaar-Formationen in größter musikalischer Übereinstimmung bewähren.
Rachmaninoffs Romanze für Klavier zu sechs Händen bietet sich mit hohem Überraschungsquotienten aufgrund der personellen Gegebenheiten als Zugabe an. Indes verdient das melancholisch-wuchernde Stück in Nähe zum Mittelsatz des c-Moll-Klavierkonzerts (op. 18) dann doch eine etwas genauere, liebevollere Ausarbeitung. An einer solchen fehlt es – wie mir scheint – auch im Umfeld der c-Moll-Symphonie von Sainst-Saëns, deren Orgelpart in den unten angegebenen Einspielungen prägnanter eingebunden ist, also dem Orgelklang mehr Gewicht zugebilligt wird. Manches im Orchester kommt – von Chung fast ruppig angetrieben – in einer Mischung aus Schlankheit und Dürre, die schwärmerischen, die spirituellen Momente wirken reduziert auf instrumentales Funktionieren.
Vergleichseinspielungen: Poulenc - Tacchino, Ringeissen – Prêtre (EMI LP 290913), Toperczer, Lapsansky – Kosler (Opus LP 9110 1457), Güher und Süher Pekinel – Janowski (Teldec 2292-46155-2), Katia und Marielle Labèque – Ozawa (Philips 426 284-2), Deferne, Rogé – Dutoit (Decca 436546-2), Pöntinen, Derwinger – Vänskä (BIS CD 593), Thorson & Thurber –Rasmussen (Olympia OCD 364), Pommier, Queffelec – Hickox (Virgin 5 45028 2), Février, Poulenc – Prêtre (EMI 5 69464 2; EMI DVD DVB 3102009), Güher & Süher Pekinel – Tang (Arthaus Musik DVD 101349), Bruk, Taimanov – A. Katz (Great Pianists Philips 456 736-2); Saint-Saëns - Barenboim (DG Galleria 415 847-2), Power Biggs –Ormandy (Sony SBK 47653), Zamkochian –Münch (RCA 09026 61500 2), Marshall – M. Jansons (EMI 5 55184 2), Dupré –Paray (Mercury 432 719-2), O’Donnell – G. Simon (Cala CACD 1016), Eisenberg –Plasson (EMI 5 55584-2), Chorzempa –Mehta (Teldec 4509-98416-2); Rachmaninoff - Engerer, Bashkirova, Maisenberg (Harmonia mundi HMC 901301.02), Thorson & Thurber, D. Gardiner (Paula PACD 46), Anna & Ines Walachowski, Alfons Kontarsky (Berlin classics 0017332 BC)
Peter Cossé † [03.06.2016]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Hector Berlioz | ||
2 | Römischer Karneval - Ouvertüre op. 9 (Ouvertüre) | 00:08:39 |
Francis Poulenc | ||
3 | Konzert d-Moll FP 61 für 2 Klaviere und Orchester | 00:21:30 |
Sergej Rachmaninow | ||
6 | Romanze A-Dur für Klavier zu sechs Händen | 00:05:34 |
Camille Saint-Saëns | ||
7 | Sinfonie Nr. 3 c-Moll op. 78 (Orgelsinfonie) | 00:34:28 |
Georges Bizet | ||
11 | Carmen | 00:03:46 |
Interpreten der Einspielung
- Martha Argerich (Klavier)
- Nicholas Angelich (Klavier)
- Jean-Christophe Henry (Orgel)
- Orchestre Philharmonique de Radio France (Orchester)
- Myung-Whun Chung (Dirigent)