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Besprechung CD

Johannes Heroldt

Matthäuspassion

cpo 555 025-2

1 CD • 56min • 2015

17.06.2016

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 8
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 7

„Die Fastenzeit, Palmtage und Marterwochen behalten wir bey. Aber nicht, dass wir jemand zu fasten zwingen, und auch nicht also, dass man das Hungertuch ausbreite, mit Palmwedel werfe, Bilder bedecke und was des päpstlich′ Gaukelwerk mehr ist als da sei: acht Stunden am Karfreitag an der Passion zu predigen haben oder vier Passionen zu singen.“ So schreibt Johannes Bugenhagen 1529 in seiner „Hamburgischen Kirchenordnung“. Dennoch spielen in der evangelischen Welt bis heute Aufführungen von Passionsmusiken während der Passionszeit eine überragende Rolle. Von dort aus haben sie auch einen wichtigen Platz im bürgerlichen Konzertleben dieser Wochen gefunden. Die katholische Welt nimmt heute an der Wertschätzung dieser Tradition der geistlichen Musik teil, was nicht zuletzt mit der Bedeutung der Bachschen Passionen zusammenhängt, deren Aufführungen seit ihrer Wiederentdeckung im 19. Jahrhundert zu alljährlichen Höhepunkten des Musiklebens geworden sind. Zwei Passionskompositionen aus dem letzten Jahrzehnt des Reformationsjahrhunderts, in dem die Welt noch völlig anders aussah, vereint die hier zu besprechende CD – die eine aus der evangelischen, die andere aus der katholische Sphäre.

Die beiden Komponisten dieser CD sind einander wohl nie begegnet, obwohl ihre Arbeitsschwerpunkte geographisch nicht weit auseinander lagen. Johannes Heroldt und Teodoro Clinio waren fast gleichaltrige Zeitgenossen, beide wohl um 1550 geboren; Heroldt stammte aus Jena, Clinio vermutlich aus Venedig. Nach Auskunft des Österreichischen Musiklexikons kam Heroldt spätestens 1593 als Kantor an die protestantische Stiftsschule in Klagenfurt, übernahm zwei Jahre später neben dem Figuralgesang auch die Leitung des Chorgesangs in der St. Egydi-Stadtpfarrkirche und musste im Zug der Rekatholisierung Kärntens während der Gegenreformation 1601 Klagenfurt verlassen – er schied mit einem Jahresgehalt als Abfertigung. In Deutschland führte in sein Weg über Altenburg nach Weimar, wo er 1604 starb. Die musikalischen Wirkungsstätten von Teodoro Clinio, Priester und regulierter Augustiner-Chorherr vom Lateran, waren Ravenna, Innsbruck und die dortige Hofkapelle sowie Treviso, wo er 1601 verstarb. Die geistlichen Bestrebungen der Gegenreformation prägen seine Johannespassion spürbar.

Die hier vereinten Passionskompositionen werden von sechs Stimmen a cappella vorgetragen, sie folgen dem in der Übergangszeit von Spätrenaissance zum Frühbarock verbreiteten Typus der auskomponierten Motettenpassion. In ihrer gleichzeitigen Ähnlichkeit und Divergenz verdeutlichen beide Werke das im Augsburger Religionsfrieden 1555 erreichte fragile Gleichgewicht zwischen den beiden Konfessionen – wie verfeindete Brüder standen sie sich einerseits zu nah, um einander nicht zu verstehen, waren sich aber auch schon zu fremd, um die Gegenseite zu akzeptieren. Das folgende 17. Jahrhundert bringt die kämpferische Auseinandersetzung, die nach 30 Jahren Blutvergießen in einen als Frieden getarnten Waffenstillstand mündet.

Heroldt vertont den Text des Matthäusevangeliums auf Deutsch, seine Passion wird von zwei Strophen des Chorals „O Mensch, bewein dein Sünde groß“ in drei Teile unterteilt: Gefangennahme, Prozess und Tod am Kreuz. Clinio nimmt den lateinischen Text des Evangelisten Johannes zur Grundlage seiner Komposition und lässt die erzählenden Teile der Passion rezitativisch durch einen Evangelisten vortragen.

Für dieses Repertoire ist ein stimmlich ausgewogener Zusammenklang der Mitwirkenden besonders wichtig: Das 2001 gegründete Ensemble Triagonale zeigt nicht nur diesbezüglich ein hohes Niveau, die klare Linienführung ihrer Aufführung zeichnet die raffinierte Kontrapunktik beider Stücke eindrucksvoll nach. Dabei besticht besonders Heroldts Matthäuspassion durch hohe Expressivität; Clinios Johannespassion gewinnt durch den Kontrast zwischen dem als Rezitativ vorgetragenen Part des Evangelisten und den sämtlich motettisch auskomponierten direkten Reden der handelnden Personen und Gruppen dramatische Kontur.

So stellt diese CD eine höchst lohnende Wiederentdeckung dar, die noch dazu durch ihre makellose Interpretation besticht. Eine besondere Hervorhebung verdient der Evangelist der Johannespassion: Der Tenorpart wird, wie ich vermute, von Michael Paumgarten, dem Leiter des Ensembles Triagonale, ebenso liturgisch feierlich wie dramatisch eindringlich vorgetragen.

Dem Textheft gebührt freilich kein Lob: Sind schon die informativen Kommentare zu den Komponisten und Werken schwer zu lesen, wird man zur Entzifferung der Texte zur Lupe greifen müssen; hier wäre durch Verzicht auf die eine oder andere Abbildung zugunsten einer größeren Schrift nützlich gewesen. Das mindert die Gesamtnote spürbar!

Detmar Huchting [17.06.2016]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Johannes Heroldt
1Matthäuspassion (Historia des Leidens und Sterbens unsers Herrn und Heilands Jesu Christi, 1594) 42:31:10
Teodoro Clinio
6Passio Domini Nostri Jesu Christi Secundum Joannem (1595) 00:41:12

Interpreten der Einspielung

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