
Ondine ODE 1264-5
1 CD/SACD stereo/surround • 63min • 2014
16.11.2015
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Was den Dirigenten Hannu Lintu auszeichnet, ist die bewundernswerte Fähigkeit, uns selbst durch das größte musikalische Dickicht kompromisslosester Werke zu führen, ohne dass er uns zur andächtigen Bewunderung nüchterner Röntgenbilder nötigte oder die jeweilige Materie mit der Machete „auflichtete”. So kam er unter anderem beim Violinkonzert von Max Reger (mit Benjamin Schmid), in der zweiten Symphonie von George Enescu und auch in dem wahrhaft eigenwilligen Violinkonzert des Briten Thomas Adès zu ganz vorzüglichen Ergebnissen. Mit demselben Ansatz näherte er sich am Pult des Finnischen Rundfunk-Symphonieorchesters der ersten Symphonie von Gustav Mahler, weshalb denn auch, das sage ich vorweg, sämtliche Aspekte der klanglich-stimmlichen Transparenz und Architektur in den höchsten Tönen zu loben sind: Der große Apparat ist so schön durchzuhören, dass mir das Fehlen des ersten Beckenschlages bei Ziffer 26 des Kopfsatzes sofort besonders schmerzlich aufstieß ...
Darüber kann man freilich mit gutem Willen hinweggehen. Nicht zu ignorieren ist hingegen, dass Lintu trotz all seiner klaren, durchaus richtigen Strukturauffassungen mit den schier unbeschreiblichen Nuancen der Musik und ihres immer unverwechselbaren Schöpfers nicht wirklich warm wird. Er weiß um den Ländler, aber er tanzt ihn nicht. Er kennt den „Lindenbaum”, aber er fühlt nicht die traulich-nostalgische Abendsonne, die auf den unglücklich Verliebten scheint. Und bei dem erschrecklichen „Bautz“, mit dem das Finale in den verlorenen Trauermarsch hinein explodiert, mäßigt er sich und sein Orchester gleich so, dass das gleißende Tageslicht erst allmählich und nicht etwa mit dem gehörigen Anprall hereinkommt: O Gott! lässt Jean Paul den Protagonisten seines Titan rufen, wenn der sich nach dem Sonnenaufgang die Augenbinde abreißt – „selig erschrocken, als alle Türen des neuen Himmels aufsprangen und der Olymp der Natur mit seinen tausend ruhenden Göttern um ihn stand. Welch eine Welt!”
Unsympathisch ist diese Produktion anderthalb Jahre alte Produktion deswegen nicht. Doch ihre Verdienste: die vorzügliche akustische Seite und die sorgfältige Darlegung des Komponierten, sowie die gute Entscheidung, die überzählige Blumine als Appendix zu reichen – all das genügt, um die interpretatorische Höchstnote zu ziehen, zu der ich gern gegriffen hätte. Und da auch das Beiheft (englisch-finnisch) nur die bekannten Fakten erzählt, bleibt es dieses Mal leider bei einem durchwachsenen Fazit.
Rasmus van Rijn [16.11.2015]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Gustav Mahler | ||
1 | Sinfonie Nr. 1 D-Dur (Der Titan) | 00:55:15 |
5 | Adagio aus der Sinfonie Nr. 10 Fis-Dur (Blumine) | 00:07:01 |
Interpreten der Einspielung
- Finnish Radio Symphony Orchestra (Orchester)
- Hannu Lintu (Dirigent)