Johan Wagenaar
Symphonic Poems Vol. 2

cpo 777 933-2
1 CD • 55min • 2010
08.01.2015
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Oraniens Musik ist fröhlich, lustig, keck, bunt, gemütlich und derb, mit kräftigen Rhythmen und eingängigen Melodien – so sah es Johan Wagenaar (1862-1941) selbst, und so klingt seine Musik auch, und das Cover mit den Windmühlen unterstreicht sinnfällig die Klischees. Keiner war so populär unter den holländischen Nachromantikern wie Wagenaar, und wenn manche in Diepenbrock sozusagen ein bisschen Mahler entdecken wollen, so ist Wagenaar gewiss ehestens ein niederländischer Richard Strauss en miniature. Richtig starke, eigentümliche Tonschöpfer wie Matthijs Vermeulen, Willem Pijper, Hendrik Andriessen, Henk Badings oder Hans Henkemans sollte, wie in England (Elgar als Vorbote ausgenommen), erst die nächste Generation hervorbringen.
Also, besonders originell oder tief ist Wagenaars Schaffen nicht, aber vergnüglich und überaus kurzweilig. Die viersätzige Sinfonietta von 1917 lässt in ihrem umfangreichsten Satz, einem Adagio non troppo, durchaus das Wagner-Studium durchscheinen, freilich in feinsinnig domestizierter Weise. Die bewegten Ecksätze und das Scherzo gefallen mit ihrer Frische, Kapriziosität, Beweglichkeit und einer so souveränen wie wirkungsvollen Orchestration, und wie auch bei der früheren Tondichtung Frühlingsgewalt von 1894 klingt das Orchester durchaus nach Berlioz, sogar mit gelegentlich ein paar russisch anmutenden Beigaben, während der Esprit, die rhythmisch prägnante, nicht allzu unverwechselbare Motivik, das Quirlige und das romantisch Lyrische am ehesten auf Mendelssohn als Hauptvorbild verweisen, anverwandt durch das Studium in Berlin beim gediegenen Brahms-Freund Heinrich von Herzogenberg, doch ohne den hochwürdigen Ernst des deutschen Akademikers.
Strauss’ Einfluss schlägt sich am deutlichsten in der Ouvertüre zur burlesken Oper Der Cid (1912-14) und in der Schauspiel-Ouvertüre zu Molières Amphitrion von 1938 nieder, vor allem in den bildhaft dramatischeren Momenten. Freilich ist das Drama bei Wagenaar noch mehr eine theatralische Inszenierung als bei Strauss, es ist vor allem ein Vergnügen und kaum eine wirklich existentielle Angelegenheit – muss es ja auch nicht sein. Ähnlich Strauss ist Wagenaar ein makelloser Meister plausibel zusammenhängender Formung und verliert sich nicht in der Identifikation mit den Kontrasten, die teils durchaus erheblich sind. Der Komponist behält die Nase oben, der Hörer darf sich amüsieren. Ein bisschen müder ist die Erfindung in der nicht weniger souverän gebauten sinfonischen Dichtung Elverhöi (eine bekannte gleichnamige Ouvertüre hatte bereits Friedrich Kuhlau verfasst) des greisen Meisters von 1940, ein Jahr vor seinem Tode. Man muss das nicht kennen, aber man wird damit gut und hochkultiviert unterhalten.
Vorzüglich informiert der Booklettext von Emanuel Overbeeke. Die Nordwestdeutsche Philharmonie klingt unter der Leitung des Dessauer GMD Antony Hermus durchsichtig, sauber und klar, und man hat den Eindruck, dass die Musiker mit ihrem frischen Spiel Spaß an Wagenaars sinfonischen Kleinodien haben. Das Klangbild ist sehr transparent und ausgewogen.
Christoph Schlüren [08.01.2015]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Johan Wagenaar | ||
1 | Sinfonietta op. 32 | 00:21:39 |
5 | Frühlingsgewalt op. 11 (Konzertouvertüre) | 00:07:52 |
6 | Elverhöi op. 48 (Sinfonische Dichtung) | 00:12:38 |
7 | Amphitrion op. 45 (Ouvertüre) | 00:08:09 |
8 | Le Cid op. 27 (Ouvertüre) | 00:05:03 |
Interpreten der Einspielung
- Nordwestdeutsche Philharmonie (Orchester)
- Antony Hermus (Dirigent)