DG 479 0835
1 CD • 65min • 2012
07.10.2013
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Schon das Cover der ersten Orchesteraufnahme, die Yannik Nézet-Séguin bei der Deutschen Grammophon herausbringt, führt den Betrachter in die Irre. Da sich nämlich der Name der Geigerin einträchtig neben demjenigen des Dirigenten findet, während über den beiden der Komponist samt dem Titel des Hauptwerkes und unter ihnen das Orchester genannt sind, sollen wir offenbar zu der voreiligen Schlußfolgerung kommen, wir hätten es nicht nur mit der Pathétique, sondern auch mit dem Violinkonzert zu tun und dürften uns auf eine äußerst angenehme, wenngleich nicht sonderlich originelle Kopplung einstellen. Doch weit gefehlt! Was uns nach dem Adagio lamentoso erwartet, ist eine Auswahl aus Tschaikowskys Liedern op. 6 und op. 73, die uns das Duo Batiashvili Nézet-Séguin als instrumentales Angebinde darreicht. Garniert wird dieser hübsche, hier aber völlig entbehrliche Appendix durch die Aussage der Geigerin, sie habe sich als Kennerin der russischen Sprache mit den Originaltexten befaßt, weshalb es möglich gewesen sei, „jeder Note eine Bedeutung und eine klar festgelegte Farbe" zu verleihen – worauf sie uns abschließend versichert, dass „die Violine ... alles ebenso ergreifend singen [könne] wie die menschliche Stimme."
Ähnlich differenziert spricht Nézet-Séguin über die Pathétique, das erste symphonische Werk, das er als Achtjähriger live hatte hören können. Tschaikowsky sei zwar, so heißt es, „in erster Linie Ballettkomponist" gewesen, doch habe er auch – wie Dvorák – „symphonische Vorzüge, die aufgrund unpassender Vergleiche mit Beethoven und Brahms nicht immer gebührend gewürdigt wurden". So tiefschürfend auf die Einspielung der Rotterdamer Philharmoniker vorbereitet, erleben wir in rund 46 Minuten eine zu Nervosität und Hysterie neigende Lesart, die von dem einen oder anderen klanglich-dramatischen Glanzpunkt durchsetzt ist: Die deftige Explosion, die im Kopfsatz den Beginn der Durchführung markiert, das elastisch-charmant dahinwalzende Allegro con grazia und die letzten, ersterbenden Pulsschläge der Musik kommen der Qualität des Werkes nahe, indessen der Marsch ob seiner hurtigen, fiebrig virtuosen Gangart nie unter die Oberfläche vorzudringen vermag – so wacker sich das Orchester auch schlägt. „Nézet-Séguin ist überzeugt, dass es immer noch nötig ist, für Tschaikowsky eine Lanze zu brechen", klärt uns das Booklet auf. Wie wahr ...
Rasmus van Rijn [07.10.2013]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Peter Tschaikowsky | ||
1 | Sinfonie Nr. 6 h-Moll op. 74 (Pathétique) | 00:18:33 |
5 | Do not believe, my friend op. 6 No. 1 – Moderatonassai | 00:03:43 |
6 | Not a word, O my friend op. 6 No. 2 – Andante ma non troppo | 00:02:37 |
7 | Why? op. 6 No. 5 – Moderato | 00:02:24 |
8 | None But The Lonely Heart op. 6 No. 6 – Andante non tanto | 00:03:12 |
9 | Night op. 73 No. 2 – Adagio | 00:03:32 |
10 | The Sun has set op. 73 No. 4 – Andante | 00:01:44 |
11 | Wieder bin ich, wie früher, allein op. 73 Nr. 6 | 00:02:33 |
Interpreten der Einspielung
- Lisa Batiashvili (Violine)
- Yannick Nézet-Séguin (Dirigent, Klavier)
- Rotterdam Philharmonic Orchestra (Orchester)