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Besprechung CD

cpo 777 680-2

2 CD • 2h 03min • 2010

06.08.2013

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 8
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 8

ÑEin Werk, das gerne eine Oper sein will und es sich dennoch mit dem Operettenpublikum nicht verderben will.“ So urteilte die „Neue Freie Presse“ über Franz Lehárs Operette Das Fürstenkind, die am 7. Oktober 1909 im Wiener Johann-Strauß-Theater ihre Uraufführung erlebte. Der alte Kritikerspruch trifft den sprichwörtlichen Nagel auf den Kopf, denn damit ist das Zwiespältige, Ungleichmäßige von Lehárs Komposition treffend charakterisiert. Das Fürstenkind erschien nur wenige Jahre nach dem Welterfolg der Lustigen Witwe (1905/6). Begreiflich, dass alles voll Neugier war, was der „Liebe Gott“ der Wiener Operette als nächstes zu bieten hatte. Obwohl die Premieren-Kritiken vorwiegend Enttäuschung über die Ideen-Armut von Lehárs Musik ausdrückten, war dem Fürstenkind doch ein großer, lang anhaltender Erfolg beschieden, der allerdings auch dem Hauptdarsteller-Duo Louis Treumann und Betty Fischer zuzuschreiben war, und dies zu beträchtlichem Anteil.

Der Komponist wollte mit dem Fürstenkind anscheinend beweisen, dass er weit mehr konnte als „nur“ erfolgreiche Operetten zu schreiben. Deshalb stopfte er in seine Partitur allerlei musikalische Kunststücke und Tricks hinein, sinfonische Intermezzi, komplizierte Ensembles und sogar ein paar Takte Kammermusik. Das Ganze wirkt freilich ziemlich angestrengt und bringt als Folge das völlige Ausbleiben schmeichelnder, eingängiger Melodien mit sich. Bezeichnend, dass nur ein einziges Stück aus dem Fürstenkind eine gewisse Bekanntheit erreichte, und das ist keine Gesangsnummer sondern das Orchester-Intermezzo Resignation. Immerhin, nach ziemlich flauem Beginn bilden sich gegen Schluß doch einige schöne, empfindungsvolle Szenen. Zwischendurch gibt es Sopran-Koloraturen, Räubermärsche und -chöre sowie griechische Volksmusik, die – echt Lehár – eindeutig magyarisch-balkanischer Herkunft sind. Aus jedem Takt hört man heraus, wie viel Mühe sich der Komponist gegeben hat – doch der leichte Flug der Lustigen Witwe oder des nachfolgenden Grafen von Luxemburg will sich nicht einstellen. Trotzdem – ein ernstzunehmendes und kennenswertes Werk. Vier Stunden dauerte die Aufführung anno 1909, wohl auch verursacht durch die damalige Praxis der bis zum Überdruß erfolgten Wiederholungen.

Die Handlung des Stücks ist ziemlich abstrus, sie spielt in Griechenland, wo sich ein Räuberhauptmann namens Stavros herumtreibt, der mit seiner Bande Touristen ausplündert. Gleichzeitig führt dieser Gangster ein hoch angesehenes Dasein als Fürst und Finanzkrösus. Nicht einmal seine Tochter Photini weiß etwas vom Doppelleben ihres Papas. Vieles erinnert an Aubers Fra Diavolo, doch alles wirkt überspitzt, überdreht und ins Bizarre gesteigert. Der brave amerikanische Offizier Harris ist in das sogenannte Fürstenkind verliebt und will den Räuberhauptmann fangen, was natürlich nicht gelingt. Trotzdem erhält er seine Photini zur Frau. Und selbst der mysteriöse Hadschi Stavros alias Fürst von Parnes verliebt sich auf seine alten Tage in eine junge Engländerin, verzichtet aber zuletzt auf nähere Bindung: Jung und alt – das verträgt sich nicht, heißt es in schmerzlicher Resignation am Ende. Wie es mit diesem gleichzeitig gefühlvollen und dubiosen Ehrenmann weitergeht, bleibt offen. Wahrscheinlich führt er seine Geschäfte in bisherigem Sinne weiter. Anspielungen an gegenwärtige Verhältnisse liegen nahe.

Louis Treumann, Lehárs erster Danilo, war um 1910 ungefähr dasselbe, was in späteren Jahren Richard Tauber für die Operette bedeutete: vom Publikum adoriert – in Rollen, die speziell für ihn und seine Stimme „maßgeschneidert" wurden. Nur war Treumann kein reiner Tenor, sondern eher Bariton mit guter Höhe. Den Danilo besetzt man ohnehin meistens mit einem Baritonsänger, für den Räuber Stavros wurde aber bei der Münchener Aufnahme (live aus dem Prinzregententheater) der Tenor Matthias Kling gewählt. So gut und elegant sich Klink durch die zwielichtige Rolle schlängelt – die Stimme ist zu hell, zu jugendlich und entspricht nicht ganz dem geforderten Typ. Vorzüglich hingegen der Tenor Nr. 2, Ralf Simon, wirklich ein strahlender Sänger. Eine Delikatesse besonderer Art: Chen Reiss als Prinzessin mit bezaubernden Soprantönen. Die Diva in dieser Operette ist aber nicht, wie man annehmen möchte, das Fürstenkind, sondern die Engländerin Mary Ann (die effektvolle Betty Fischer-Rolle). Eine Partie, die erst spät und ziemlich unmotiviert ins Spiel gelangt und eigentlich nur dazu dient, um die obligate Vierer-Kombination zu ermöglichen. Die Sopranistin Mary Mills bringt gute Stimme und auch sonst vielerlei Eignung mit, doch das große Diva-Ereignis vermag sie nicht zu bieten.

Ulf Schirmer mit dem Münchener Rundfunkorchester gibt sich schwelgerisch den orchestralen Stellen hin, man merkt seine Sympathie für das Werk, auch die Sängerbegleitung funktioniert tadellos. Zu empfehlen ist die Lektüre des Booklets. Stefan Frey erzählt darin interessante Vorgänge, die sich rund um die Premiere des Fürstenkinds mit Leháár, seinem Librettisten Victor Léon und dem Sänger Treumann abgespielt haben. Der von ganz Wien vergötterte Treumann, der unvergleichliche Danilo, nahm ein trauriges Ende – ermordet im KZ. Auch dieser „wunde Punkt" gehört zur Wiener Operetten-Seligkeit.

Clemens Höslinger [06.08.2013]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Franz Lehár
1Das Fürstenkind (Operette in einem Vorspiel und zwei Akten)

Interpreten der Einspielung

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