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Besprechung CD

Johann Sebastian Bach Six Partitas for Harpsichord

Challenge Classics CC72574

2 CD • 20min • 2011

28.05.2013

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 7
Klangqualität:
Klangqualität: 8
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 7

Als Bach 1726 die Herausgabe des ersten Teils seiner Clavierübung als erste von ihm selbst besorgte Drucklegung eigener Werke begann, war er bereits 41 Jahre alt und hatte seit drei Jahren die prestigeträchtige Stelle des Leipziger Thomaskantors inne. Er setzte die Veröffentlichung der einzelnen Partiten bis 1731 in jährlichem Rhythmus fort und bot die Noten über ein weit gespanntes Vertriebsnetz von Süddeutschland bis in den Norden bei Kollegen wie beispielsweise Christoph Petzold in Dresden und Georg Böhm in Lüneburg zum Verkauf an. Angesichts des Erfolgs der Einzelausgaben fasste er die Stücke noch 1731 als „Clavir Übung" in einem Band zusammen, für dessen Herstellung die bereits existierenden Druckplatten verwendet werden konnten.

Der namhafte Bach-Forscher Christoph Wolff bringt Bachs Veröffentlichung der Clavierübung I in Zusammenhang mit den 1720 in London erschienenen acht Cembalosuiten von G. F. Händel: Sie könnten den Thomaskantor angeregt haben, den erfolgreichen Kollegen musikalisch zu übertrumpfen, waren Bachs Suiten doch „noch länger und tiefsinniger, noch farbiger in der Unterschiedlichkeit der Satztypen, noch raffinierter und schwerer zu spielen", so Wolff. Das scheint mir ein etwas unfairer Seitenhieb des Bach-Spezialisten auf Händel, der 1720 seine seit 1708 entstandenen Suiten für Cembalo eilig in einer eigenen Ausgabe zusammengefasste, um fehlerhaften Raubdrucken zuvorzukommen. Händels Suites de Pièces pour le Clavecin verfolgen kein methodisches Ziel, sondern orientieren sich auf höchstem Niveau am aktuellen musikalischen Geschmack.

Bach, der Händel stets große Bewunderung entgegenbrachte, dürfte keinerlei Interesse gehabt haben, mit seinem ersten veröffentlichten Opus in Konkurrenz zu dem bereits weltberühmten Landsmann aus Halle zu treten. Vielmehr zeigt er sich ein weiteres Mal als systematischer Komponist, wie etwa zuvor in seinen Brandenburgischen Konzerten, die in ihren sechs Einzelwerken einen Rundblick auf die vielfältigen Möglichkeiten des Orchesterkonzerts ermöglichen. Mit den Englischen und Französischen Suiten, die durch weit verbreitete Abschriften Bachs Ruhm als Komponist unter seinen Zeitgenossen dokumentierten, waren die nunmehr vom Komponisten im Druck herausgegebenen Partiten jahrelang sorgfältig vorbereitet worden. Die abwechslungsreiche Ausgestaltung der einzelnen Stücke kennzeichnet bereits das jeweilige Vorspiel (Praeludium, Sinfonia, Fantasia, Ouverture, Praeambulum, Toccata) sowie die in die hergekommene Satzfolge eingestreuten Sätze im Geschmack der Zeit (im Titel der Sammelausgabe als „Galanterie" bezeichnet). Die Partiten sind Bachs letztes Panorama über die von Johann Jacob Froberger im 17. Jahrhundert in die deutsche Claviermusik eingeführte Form der Suite, auf die Bach nur noch einmal in der Clavierübung II mit der Ouvertüre nach französischer Art BWV 831 zurückkommen sollte.

Ton Koopman begründet den späten Zeitpunkt seiner Einspielung der Partiten (im Alter von 67 Jahren) neben der zeitaufwendigen Realisierung seines Buxtehude-Projekts auch mit „„Respekt für die Meisterwerke Bachs …, denn die Partiten kann man nicht mal eben so nebenher einspielen." Koopman preist den Aufnahmeort der ihm vertrauten Wallonischen Kirche in Amsterdam; für die Einspielung hat er sein eigenes Kroesbergen/Ruckers-Cembalo in Werckmeister-III-Stimmung verwendet. Auch Francesco Corti spielt auf einer Kopie eines Ruckers-Cembalos, Andreas Staier auf einem Instrument nach deutschen Vorbildern um 1740, das Keith Hill 1982 gebaut hat. Als Star unter den Cembali erweist sich das einzige Originalinstrument der vier hier in Rede stehenden Aufnahmen: Blandine Verlet konnte ihre Aufnahme an einem Cembalo einspielen, das Hans Ruckers 1624 baute, heute im Colmarer Museum Unterlinden steht und in seiner mitteltönigen Stimmung, die für Bachs Partiten immer noch geeignet ist, seine reiche Palette von Klangfarben auf das herrlichste entfaltet. Dennoch bleibt aus Sicht des Rezensenten festzustellen, dass der helle Klang der Ruckers-Instrumente (der in den beiden Kopien einer gewissen Schärfe nicht entbehrt) dem Vergleich mit dem angenehm warm timbrierten von Andreas Staiers deutschem Cembalo nicht standhält.

Erstaunlicherweise fällt bei dem anhand von Ton Koopmans Neuaufnahme der Partiten angestellten Vergleich der vier Interpreten auf, dass die beiden älteren (Koopman ist Jahrgang 1944, Blandine Verlet 1942) weniger risikobereit sind als ihre beiden jüngeren Kollegen (Staier war zum Zeitpunkt der Einspielung seiner Version 38, Corti 25 Jahre alt). Als Beispiel mögen die beiden letzten Sätze Scherzo und Gigue der 3. Partita dienen: Bei Staier wird das Scherzo zu einem wilden Tastenritt, während die abschließende Gigue in für diesen Satztyp ungewöhnlich langsamen Tempo zum Anknüpfungspunkt an die Fantasia wird, mit der die Suite eröffnet wurde ? Corti verfolgt ein ähnliches Konzept. Hingegen sehen weder Koopman noch Verlet hier (wie an verschiedenen anderen Stellen des Zyklus) Gelegenheit, als Interpreten deutlich Stellung zu beziehen.

Eleganz, Charme und Grazie, die besonders die Aufnahmen von Blandine Verlet und Andreas Staier auszeichnen, sind Ton Koopmans Sache nicht, er bleibt – wie aus seinen früheren Aufnahmen bekannt – ein Vertreter des Vereins für deutliche Aussprache. Ob das im Sinn von Bachs Partiten ist, in denen sich die deutsche Tradition der Claviermusik seit Froberger mit den modernen musikalischen Strömungen des 18. Jahrhunderts verbindet, mag jeder Hörer für sich selbst entscheiden.

Vergleichsaufnahmen: Andreas Staier, 1993 (deutsche harmonia mundi, vergriffen), Blandine Verlet, 2001 (naive E 8849), Francesco Corti, 2009 (Berlin Classics ED 0300039BC)

Detmar Huchting [28.05.2013]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Johann Sebastian Bach
1Partita Nr. 1 B-Dur BWV 825 00:21:03
7Partita Nr. 2 c-Moll BWV 826 00:20:13
13Partita Nr. 6 e-Moll BWV 830 00:29:37
CD/SACD 2
1Partita Nr. 3 a-Moll BWV 827 00:20:46
8Partita Nr. 4 D-Dur BWV 828 00:30:19
15Partita Nr. 5 G-Dur BWV 829 00:22:32

Interpreten der Einspielung

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