BIS 1984
1 CD/SACD stereo/surround • 67min • 2012
19.04.2013
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Es ist frappierend, wie viel Musik der junge Mendelssohn komponiert hat und auf welchem hohen Niveau sich diese Werke bewegen. Die Doppelkonzerte etwa sind allesamt hochvirtuos und expressiv, ohne freilich zu tiefer Emotionalität vorzustoßen oder eine solche Materialbeherrschung auszubilden wie etwa die reifen Orchesterwerke – was durchaus nicht verwunderlich ist, war doch Mendelssohn 14 Jahre alt, als er das Konzert für Violine, Klavier und Streicher d-Moll schrieb! Die exzellenten Solisten und die Mitglieder des Australian Chamber Orchestra machen bei diesem Konzert gehörigen Wind und zeigen so, wie viel Spaß eine brillante und temperamentvoll sprudelnde Interpretation machen kann. Die Koordination der vielen rasenden Kopplungen etwa im Finalsatz von Violine und Klavier ist makellos, hier würde man jede noch so kleine Abweichung sofort bemerken. Auch das Zusammenspiel des australischen Kammerorchesters ist lupenrein. Stilhistorisch weist die Interpretation freilich Brüche auf: Während Polina Leschenko über einen großen Steinway verfügt, der ihrer Geläufigkeit, Strahlkraft, vor allem aber ihrem Belcanto sehr entgegenkommt, atmet Richard Tognettis Violinspiel die Schlankheit, manchmal eben aber auch tonliche Bescheidenheit und Kurzatmigkeit der historisierenden Aufführungspraxis. Es ergibt sich so ein deutlicher Kontrast, wenn etwa der Flügel großen Klang ausstellt und die Violine mit ihren Doppelgriffen nur sehr dünn begleiten kann. Das ist freilich kein Einwand: Aus der Verschiedenheit springen durchaus Funken, und Mendelssohns eigene Stellung zwischen einer Bach-Begeisterung, die gerade zu Beginn des Kopfsatzes zu hören ist, und der Hochromantik wird umso anschaulicher. Dass die Streicher bisweilen harsch begleiten, in der Coda des Kopfsatzes tendenziell sogar kratzig, und dass in Tognettis Kadenzen unreine Anspielgeräusche stehengelassen wurden, kann man als Aufrauhung wahlweise begrüßen oder ablehnen.
Während im langsamen Satz des Konzertes der Streicherkörper vielleicht etwas zu gläsern erscheint, zu wenig weich und klangvoll, tut dem Oktett Es-Dur op. 20, einer von Mendelssohns glücklichsten Kompositionen, die Transparenz sehr gut. Die klaren Linien der nur wenig vibrierenden Streicher sind auch in den Verdickungen noch gut durchhörbar. Besonders zu loben sind das schöne Pianissimo-Spiel, die Wachheit der Interpretation und die Bandbreite an geradezu theatralischen Situationen, die hier entdeckt werden.
Prof. Michael B. Weiß [19.04.2013]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Felix Mendelssohn Bartholdy | ||
1 | Konzert d-Moll für Violine, Klavier und Streichorchester | 00:35:26 |
4 | Streichoktett Es-Dur op. 20 | 00:30:50 |
Interpreten der Einspielung
- Polina Leschenko (Klavier)
- Richard Tognetti (Violine)
- Australian Chamber Orchestra (Orchester)