Challenge Classics CC72560
2 CD • 1h 40min • 2011
11.10.2012
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
„Die 6 Claviertrio … sind von den besten Arbeiten meines seligen lieben Vaters. Sie klingen noch jetzt sehr gut und machen mir viel Vergnügen, ohngeacht sie über 50 Jahre alt sind. Es sind einige Adagii darin, die man heutzutage nicht sangbarer setzen kann", schrieb Carl Philipp Emanuel Bach 1774 in einem Brief über die sechs Violinsonaten seines Vaters. Vor 1725 entstanden, haben die Stücke Johann Sebastian Bach offensichtlich sehr am Herzen gelegen, da er sie sich im Laufe der weiteren Jahrzehnte immer wieder vorgenommen und umgearbeitet hat. So datieren sie der Erinnerung des 1732 geborenen zweitjüngsten Bach-Sohnes Johann Christoph Friedrich zufolge aus den 1740er Jahren: Offensichtlich hat er als Kind miterlebt, dass der Vater daran arbeitete. Obwohl sich in diesen sechs Sonaten noch Elemente der barocken Triosonate finden lassen (weshalb Philipp Emanuel auch von „Claviertrios" spricht), hat Bach mit ihnen der Violinsonate neue Horizonte eröffnet, da sie „in vielerlei Hinsicht den Prototyp eines Genres [bilden], auf den die klassischen Sonaten für Violine und Klavier eines Mozarts und Beethovens zurückgehen", wie Christoph Wolff im Beihefttext anmerkt.
Für Ton Koopman ist diese Einspielung der Sei suonate à violino solo & cembalo concertato mit Catherine Manson, der Konzertmeisterin seines Amsterdam Baroque Orchestra, nicht seine erste: Schon 1983 nahm er sie mit Monica Huggett auf, damals ebenfalls Konzertmeisterin im gerade vier Jahre alten Amsterdam Baroque Orchestra; diese inzwischen vergriffene Aufnahme wird heute im Internet zu hohen Preisen gehandelt. In der Ausgabe des Gramophone vom August 1984 lobte der Rezensent die Zartheit und Wärme von Huggetts Ton und führt dafür besonders das Andante un poco aus der Sonate BWV 1015 an. Dieses Kompliment ist bis auf den heutigen Tag gut nachvollziehbar, was freilich die Leistungen von Catherine Manson in keiner Weise schmälert. Ihre Rolle an der Seite von Ton Koopman ist nicht immer einfach, setzt er doch seinen Primat wesentlich viriler um als vor 28 Jahren: So geht im eröffnenden Adagio der ersten Sonate der Eintritt der Violine ins musikalische Geschehen, der sich wie aus dem Äther kommend vollziehen müsste, in einem cembalistischen Feuerwerk aus Agogik und Verzierung fast unter – da konnte sich Frau Huggett seinerzeit besser behaupten. Ton Koopman kann sich seiner Lust am Auszieren seines Parts offenbar immer weniger entziehen, das war 1983 noch nicht so ausgeprägt der Fall wie heute, und so gerät in diese lebensvoll angelegte Interpretation eine störend unruhige Atmosphäre.
Perfekte Partnerschaft zeigen François Fernandez und Benjamin Alard in ihrer 2009 eingespielten Aufnahme. Es fehlt das stets vorantreibende Element, was sich allein schon aus der wesentlich gemesseneren Deutung der meisten Tempobezeichnungen ergibt: So lassen sich Fernandez und Alard im einleitenden Adagio der Sonate BWV 1016 fast eine Minute mehr Zeit als Catherine Manson und Ton Koopman, der sich seinerzeit mit Monica Huggett noch 14 Sekunden mehr gegönnt hatte. Da werden durchaus verschiedene Geschichten erzählt: Vollzieht sich bei Koopman in beiden Fällen der Anfang des Werks in einer spannungsgeladenen Atmosphäre, so gestalten Fernandez und Alard eine pompöse Ouvertüre mit rhapsodischen Elementen, die an den Stylus phantasticus der Generation vor Johann Sebastian Bach denken lassen.
Dass Bach mit seinen Sei Suonate à Violino solo & Cembalo concertato Neuland betrat, steht außer Zweifel: In seinen beiden Aufnahmen betont Ton Koopmann den Aufbruch, der in diesen Stücken liegt. François Fernandez und Benjamin Alard wollen freilich über allem Neuen die Kunst der Alten nicht aus dem Blick verlieren, in der Johann Sebastian Bach so tief verwurzelt war.
Vergleichsaufnahmen: Monica Huggett (Violine), Ton Koopman (Cembalo), Ph 410 401-2 (AD: 1983); François Fernandez (Violine), Benjamin Alard (Cembalo), FLORA1909.
Detmar Huchting [11.10.2012]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Johann Sebastian Bach | ||
1 | Sonate Nr. 1 h-Moll BWV 1014 für Violine und Cembalo | 00:12:37 |
5 | Sonate Nr. 2 A-Dur BWV 1015 für Violine und Klavier | 00:13:22 |
9 | Sonate Nr. 3 E-Dur BWV 1016 für Violine und Klavier | 00:15:05 |
CD/SACD 2 | ||
1 | Sonate Nr. 4 c-Moll BWV 1017 für Violine und Klavier | 00:16:58 |
5 | Sonate Nr. 5 f-Moll BWV 1018 für Violine und Klavier | 00:17:16 |
9 | Sonate Nr. 6 G-Dur BWV 1019 für Violine und Klavier | 00:15:42 |
Interpreten der Einspielung
- Catherine Manson (Violine)
- Ton Koopman (Cembalo)