Johannes Brahms Späte Klaviertrios

Thorofon CTH 2582
1 CD • 72min • 2011
26.03.2012
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Mit dem 1999 gegründeten Hyperion-Trio können die Brahms-Verehrer speziell, aber auch Kammermusikfreunde im Allgemeinen ein am Werk seines Namensgebers geschultes und zugleich ein offensichtlich auf unbekanntem Terrain bestens motiviertes Ensemble kennenlernen. Hagen Schwarzrock (Klavier), Oliver Kipp (Violine) und Katharina Tros (Violoncello) sorgen im Verlauf der beiden ausgewählten Brahms-Trios op. 8 und op. 101 in allen charakterlich so verschiedenen Satztypen für Lebendigkeit im Energischen und Briosen, es gelingt ihnen, die betriebsamen (à la-) Scherzo-Sätze auf Vorwärtskurs zu halten, ohne die ihnen jeweils eigenen Innerlichkeiten, sozusagen deren gebremsten Schaum gegenwärtig zu halten. Im Fall des frühen H-Dur-Werkes (op. 8) hat man sich für die gehörig vom „Urtext" abweichende Zweitfassung von 1889 entschieden. Zu Recht bezeichnet denn auch Michael Struck im ebenso unterhaltsam wie wissenschaftlich gehaltenen Begleitheft das alternative Werk als eigenständige Wert- und Werkschöpfung. Struck: „Doch schließlich machte sich der mittlerweile Sechsundfünfzigjährige daran, das Trio völlig neu zu durchdenken und auszuarbeiten." Und etwas weiter vorne fragt sich der Autor, „ob es sich überhaupt noch um ein Werk in zwei stark voneinander abweichenden Fassungen oder nicht vielleicht um zwei Werke handelt, die in den Anfangsthemen ihrer Ecksätze, im Scherzo und partiell im langsamen Satz siamesisch zusammengewachsen, im Übrigen aber ganz eigenständige Trio-Persönlichkeiten sind."
Dies und manches mehr nachzuvollziehen, also individuell zu erleben, ermöglichen die drei Hyperion-Instrumentalisten in den feinstufig ausgearbeiteten Einzelheiten ebenso wie in den großzügiger angelegten Entwicklungen. Dabei spielt es keine, zumindest kaum eine Rolle, wenn die Ausführenden gleichsam für sich gehört an die Leistungen berühmter Kammermusikvereinigungen heranreichen. Und schließlich hat es sich ja längt herum gesprochen, dass namhafte Solisten nicht automatisch ein funktionierendes, intellektuell wie emotional florierendes Ensemble ergeben.
Als publizistische Klugheit ist die interpretatorische und verlegerische Entscheidung zu begrüßen, den beiden Brahms-Stücken ein wenig, ja weniger noch: ein unbekanntes Klavertriowerk gegenüberzustellen, bzw. dem Brahms-Programm anzufügen. Und noch günstiger ist diese ungewöhnliche Repertoire-Entscheidung, weil sich die dokumentierten Variationen über ein Thema von Robert Schumann von Iwan Knorr im musikalischen und biographischen Kraftfeld Brahms' orten lassen. Knorr hatte seine erste gedruckte Arbeit an Brahms gesandt. Dieser zeigte sich – was laut Struck nicht häufig geschah – durchaus angetan von Knorrs schöpferischem Betreiben, ermutigte ihn und erlaubte es, dem aus der Ukraine stammenden, später am Hochschen Konservatorium lehrenden Komponisten bei ihm vorzusprechen und weiteren Rat einzuholen.
Die neun 1887 veröffentlichten Variationen beziehen sich in anmutiger, freundlicher, nur in Spurenelementen dramatischen Abwandlungen auf das Stück Nummer 41 aus Schumanns Album für die Jugend (op. 68). Das Stück trägt den Titel Nordisches Lied (Gruß an G.), wobei die ersten vier Melodietöne g-a-d-e Schumanns Freundschaft mit dem dänischen Komponisten klingend bestätigen. Mit diesen handwerklich untadelig gefertigten, insgesamt etwas an Blässe leidenden Variationen ist dem Hyperion-Trio jedenfalls eine Ersteinspielung von musikgeschichtlicher Würze gelungen, mit der die klanglich gut ausbalancierte Einspielung noch zusätzlich an Attraktivität gewinnt.
Peter Cossé † [26.03.2012]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Johannes Brahms | ||
1 | Klaviertrio Nr. 3 c-Moll op. 101 | 00:21:29 |
5 | Klaviertrio Nr. 1 H-Dur op. 8 | 00:35:48 |
Iwan Knorr | ||
9 | Variationen über ein Thema von Robert Schumann op. 1 | 00:14:52 |
Interpreten der Einspielung
- Hyperion Trio (Ensemble)