Heinrich von Herzogenberg An Mutter Natur Works for Mixed Choir a cappella

cpo 777 728-2
1 CD • 65min • 2010
23.02.2012
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Nach wie vor gehört das a-cappella-Schaffen des „barocken Spätromantikers" Heinrich von Herzogenberg (1843-1900) zum weniger gängigen Musikschatz eines Außenseiters. Das hat seine Gründe. Schon des Komponisten enger Freund und berühmter Zeitgenosse Brahms hielt sich mit erwünschten und erhofften Gutachten und Empfehlungen zurück. Allenfalls ein paar mehr oder weniger vieldeutige Bemerkungen gehen aus dem Schriftwechsel hervor. Um es auf einen schlichten Nenner zu bringen: Herzogenbergs Schwachstellen sind sein hör- und sichtbar deutliches Mißverhältnis zwischen kontrapunktisch überbordender Satztechnik bei gleichzeitig oft ziellos, versponnen und sprunghaft wirkenden Melodieführungen. Viel zu oft zwingt er seine Sänger, vor allem die hohen Frauenstimmen, zu gewagten Aufwärts-Intervallsprüngen in die ästhetisch heiklen Grenzbereiche heftiger Diskantakzente. Textgestaltung wird so zwangsläufig zum Problem. Wortsinn, Ausdruck und chorische Klangbalance entziehen sich beharrlich dem künstlerisch überzeugenden Zugriff.
Selbst Hermann Max als routinierter Chorleiter und kenntnisreicher Verfechter einer barock akzentuierten Aufführungspraxis bekommt die Partituren mit seiner qualifizierten, kammermusikalisch schlank besetzten Rheinischen Kantorei nur mühevoll in den Griff. Bereits der Eröffnungssatz der Werkauswahl mit dem ersten der Sechs Lieder des frühen Opus 10 offenbart das Dilemma einer überzeugenden Vertonung des Mörike-Textes (Tr. 1: Er ist's). Übertrieben auskomponierte Akzentsetzungen, vielleicht auch verstärkt durch die intensive Bachpflege der Kantorei und angeheizt durch eine subjektiv forcierte Betonungsrhythmik mit schrillen Sopranspitzen, wollen sich dem Ausdruck und dem Wortsinn der Texte einfach nicht fügen.
Angesichts solcher Vortragsdefizite, nicht zuletzt das Vernachlässigen nahezu aller sinnstiftenden Wortkonsonanten, ist zu fragen, wie und warum der Chorleiter, seine Sänger und die Tonregie dieses Manko nicht spätestens nach den Abhörkontrollen haben mindern wollen. Und dies bei allen 26 Nummern der ein ganzes Komponistendasein widerspiegelnden Werkfolge, auch ein Kompendium satztechnischer Marotten seines Schöpfers. Der biographisch informative, naturgemäß satirisch angehauchte Einführungstext als stilistisch ausgeformter literarischer Essay des Beiheftautors Eckhardt van den Hoogen über den „stillen Sänger vor dem Herrn", der „als kaum Fünfzigjähriger wie der eigene Großvater aussah", erweist sich geradezu als Pflichtlektüre. Abgesehen von der Bedeutung des Anhangs mit allen gesungenen Texte zum unverzichtbaren Mitlesen.
Dr. Gerhard Pätzig [23.02.2012]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Heinrich von Herzogenberg | ||
1 | Er ist's op. 10 Nr. 1 | 00:01:17 |
2 | Entlaubet ist der Walde op. 10 Nr. 2 | 00:01:33 |
3 | Hüt' Du Dich! op. 10 Nr. 3 | 00:01:51 |
4 | Nachtgesang op. 10 Nr. 4 | 00:01:49 |
5 | Der Kehraus op. 10 Nr. 5 | 00:01:52 |
6 | Frühlingsglaube op. 10 Nr. 6 | 00:01:37 |
7 | An Mutter Natur op. 57 Nr. 1 | 00:05:21 |
8 | Die Bekehrte op. 57 Nr. 2 | 00:02:04 |
9 | Ungeduld op. 57 Nr. 3 | 00:01:10 |
10 | In der Nacht op. 57 Nr. 4 | 00:02:26 |
11 | Brautlied op. 57 Nr. 5 | 00:02:34 |
12 | Weihnachtslied op. 57 Nr. 6 | 00:02:59 |
13 | Psalm 116 op. 34 | 00:11:17 |
16 | Zum Erntedank op. 99 (Liturgische Gesänge Teil V) | 00:11:18 |
23 | Kommt her zu mir, spricht Gottes Sohn op. 102 Nr. 1 (Choralmotette) | 00:16:04 |
24 | Soll ich denn auch des Todes Weg und finstre Straßen reisen op. 102 Nr. 2 (Choralmotette) | 00:06:38 |
25 | O Traurigkeit, o Herzeleid op. 102 Nr. 3 (Choralmotette) | 00:01:36 |
26 | Mitten wir im Leben sind mit dem Tod umfangen op. 102 Nr. 4 (Choralmotette) | 00:05:03 |
Interpreten der Einspielung
- Rheinische Kantorei (Chor)
- Hermann Max (Dirigent)