Across the Sea
BIS 1739
1 CD • 71min • 2000, 2008
30.01.2012
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
China boomt. China ist „in" – wirtschaftlich und auch künstlerisch. Kein Wunder bei dem Potential eines Milliardenvolkes, das jahrzehntelang vom Westen isoliert war und durch Maos „Kulturrevolution" gedemütigt wurde. Viel gibt es auf- und nachzuholen, doch in der Weltspitze des Klassikmarktes ist China längst angekommen: Künstler wie Lang Lang, Yundi Li, Wen Xiao Zheng oder Komponisten wie Tan Dun, Chen Yi, Zhou Long und Bright Sheng haben die Konzertsäle der Welt im Sturm erobert. Wieviele großartige Talente in Chinas Riesenreich noch schlummern, lässt sich allenfalls erahnen.
Die „Neue Musik" Chinas ist noch jung. Ihr Weg begann erst nach dem Ende der unseligen zehn Jahre der Kulturrevolution 1976. So ist es allzu verständlich, dass eine neue Generation chinesischer Komponisten sich einen eigenen Weg erst mühsam erarbeiten musste. Man schöpfte (wie auch in Japan und Korea) gerne aus der reichen Folkloretradition und integrierte nach und nach Elemente der westlichen Avantgarde (die ihrerseits häufig auf Spieltechniken und Systeme ostasiatischer Folklore zurückgriff). Es war – und ist bis heute – also ein gegenseitiges Geben und Nehmen geblieben.
Viele der nach 1976 im eigenen Lande ausgebildeten Komponisten vervollkommneten ihr Können später im Ausland, vorwiegend in den Vereinigten Staaten, wo ihr Schaffen auf große Sympathie und breites Interesse stieß. Viele von ihnen (so auch die hier eingespielten) blieben in den USA und begannen ein neues Leben. Mit Zhou Long, seiner Frau, der bekannten Komponistin Chen Yi und Bright Sheng hat Sharon Bezaly im Grunde die prominentesten Vertreter dieser „Auslandschinesen" ausgewählt. Bezaly und ihr Hauslabel BIS stehen für makellose künstlerische, editorische und audiophile Qualität. Und auch bei Bezalys neuster Veröffentlichung wird man nicht enttäuscht. Im Singapore Symphony Orchestra unter Lan Shui hat sie vorzügliche Begleiter gefunden.
Zhou Longs 2008 komponiertes Flötenkonzert Five Elements korrespondiert mit der traditionellen chinesischen Lehre der fünf Elemente – Metall, Holz, Wasser, Feuer und Erde. Jedem dieser Elemente widmet der Komponist einen charakteristischen Satz. Zhous Musik pendelt zwischen vitaler rhythmischer Motorik, die an Strawinskys Sacre denken lässt und lyrischen, neo-impressionistischen Klanggemälden von oszillierender kammermusikalischer Intimität. Letztere kennzeichnet auch sein zehnminütiges, 2004 eigens für Bezaly komponiertes Werk The deep, deep Sea.
Bright Shengs Flute Moon aus dem Jahr 1999 ist als Diptychon angelegt: Im ersten Satz wird Chi Lin, das Einhorn der chinesischen Mythologie beschworen, perkussiv und orchesterdominiert, nicht sonderlich konzertant. Der zweite Satz bezieht seine Inspiration aus einem chinesischen Gedicht aus der Sung-Dynastie im 13. Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Er kontrastiert mit kontemplativen impressionistischen Flötengirlanden, die von Salven des Schlagzeugs unterbrochen werden. Shengs Musik wirkt, obgleich sie Themen chinesischer Musik und Dichtung aufgreift, von allen eingespielten Werken am „assimiliertesten". Chen Yi gelingt in ihrem Flötenkonzert meines Erachtens noch am überzeugendsten eine eigenständige Musiksprache, die beide Kulturen in sich vereint.
Heinz Braun † [30.01.2012]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Zhou Long | ||
1 | Five Elements | 00:26:39 |
Bright Sheng | ||
6 | Flute Moon für Flöte, Harfe, Klavier, Schlagzeug und Streichorchester (1999) | 00:17:46 |
Zhou Long | ||
8 | The Deep, Deep Sea | 00:10:40 |
Chen Yi | ||
9 | Konzert für Flöte und Orchester (The Golden Flute) | 00:14:51 |
Interpreten der Einspielung
- Sharon Bezaly (Flöte)
- Singapore Symphony Orchestra (Orchester)
- Lan Shui (Dirigent)