cpo 777 622-2
1 CD • 73min • 2009, 2010
05.01.2012
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
„Schnabels Größe als Komponist zeigt sich darin, dass seine Musik produktive Kritik an den überkommenen Kriterien von musikalischem Zusammenhang übt. Nie kann der Hörer erahnen, was als nächstes folgen wird“. Wäre das, was da am Ende des Einführungstextes zu Artur Schnabels erstem Streichquartett geschrieben steht, tatsächlich der Maßstab künstlerischer Größe, dann wären weder die bekannt-voluminösen Lexika deutscher oder englischer Sprache noch das schier unendliche Internet fähig, die Fülle schöpferischer Giganten zu fassen, die sich durch die Kunstgeschichte „kritisiert“ haben.
Zum Glück ist das ein herrlicher Humbug, der sich – was noch schwerer wiegt – just mit dem hier aufgenommenen Streichquartett aus dem Jahre 1918 hurtig als ein solcher wird aufdecken lassen. Bei den vier breit angelegten Sätzen, die zusammen eine Spielzeit von fünfzig spannungsreichen Minuten ergeben, handelt es sich nämlich ganz eindeutig um nachvollziehbare, fast möchte ich sogar sagen: einprägsame Musik, die uns mit dem Eindruck entläßt, etwas „erlebt“ und obendrein ein Ensemble gehört zu haben, dessen extrem nuanciertes, gerade in den geisterhaften Szenen des Andantino grazioso sowie in dem weit ausladenden Larghetto – so ruhig wie nur denkbar bis in die feinsten Äderchen der Musik exzellent ausgestaltetes Spiel ein Ereignis an sich darstellt. Es muß aber auch ein besonderes Vergnügen sein, sich derart in die subtile Kunst Schnabels mit ihren Myriaden expressiver Valeurs zu verlieren und gleichzeitig zu wissen, dass der Strom des Komponierten nie über die Ufer tritt.
Mit dem beigegebenen Notturno von 1914 auf ein großes Gedicht von Richard Dehmel kann ich mich demgegenüber nicht anfreunden. Vielleicht wäre der Eindruck günstiger, ein anderer, wenn die Altstimme weniger „knollig“ und dafür etwas verständlicher klänge, doch eigentlich geht‘s mir hier wie bei Arnold Schönbergs Buch der hängenden Gärten, in dem Stefan Georges kostbare Sprachmusik ja auch gegen den Strich gebürstet wird.
Unbedingt wünschenswert wäre indes, den kammermusikalischen Zyklus fortzuführen, die derzeit nicht mehr erhältliche Aufnahme des fünften Streichquartetts und des Klaviertrios wieder herauszubringen und eines Tages vielleicht sogar das opulente Duodezimett zu produzieren.
Rasmus van Rijn [05.01.2012]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Artur Schnabel | ||
1 | Streichquartett Nr. 1 | 00:49:49 |
5 | Notturno für Alt und Klavier | 00:22:49 |
Interpreten der Einspielung
- Pellegrini-Quartett (Ensemble)
- Noa Frenkel (Alt)
- Irmela Roelcke (Klavier)