organum classics Ogm 111027
1 CD • 82min • 2010, 2011
28.10.2011
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Hohen künstlerischen Auftrag bekundet die polnische Pianistin Aleksandra Mikulska in einem im Begleitheft abgedruckten Gespräch mit der Musikjournalistin Gabriela Rothmund-Gaul. Sie beschreibt die inneren Werte ihrer „Expressions"-CD wie folgt: „Es ist mir ein Bedürfnis, meine Seele, also die Seele der Interpretin in den Seelen der Komponisten widerzuspiegeln. Ich möchte die verborgenen Wünsche der Komponisten durch meine Interpretationen ans Licht bringen. Ich hoffe also, dass ich aufgrund meines Gleichklangs mit den Seelen der Komponisten den Schlüssel zu ihren Herzen gefunden habe." – Hochtrabende, zumindest riskante Eigendiagnostik einer Künstlerin, der es an Selbstbewusstsein offenbar nicht mangelt. Immerhin fügt sie den zitierten Bekenntnissen noch den Satz an: „Ob das Experiment gelungen ist, entscheidet ohnehin jeder Hörer für sich selbst."
Nun, die angesprochene Seelenjustierung vermag ich nach „Lektüre" der bestens gefertigten, klangtechnisch zufriedenstellenden Organum-Edition nicht festzustellen. Dieser „verborgen" codierte Öffner vom ästhetischen Schlüsselbund einer emotional erhitzten Interpretin ist für mein lauschendes Empfinden Privatsache, bleibt das Wünschen eines Klavier spielenden Individuums. Objektiv registrieren lässt sich indes das Instrumentalverhalten, das vor allem dem hohen Schwierigkeitsgrad mancher Szymanowski-Stücke und der brillanten Chopin-Polonaise gerecht wird. Andererseits erreichen die hier eingespielten Szymanowski-Préludes und seine Variationen op. 3 nicht die zuweilen verwirrende Gedankenführung der Sonaten oder der schier rücksichtslos dicht notierten Charaktersammlungen op. 34 (Masques) und op. 29 (Métopes).
Mit der wundersamen Haydn-Sonate in As-Dur eröffnet Mikulska ihr mit fast 82 Minuten Spieldauer überaus reichhaltiges Programm: wendig und genügend farbig im Anschlag der Einzelheiten, übersichtlich im Kommen und Gehen der Motive und Themen. Im schmerzlich-gütigen Verlauf des Adagios könnte die anfängliche, gleichsam spröde Tonfolge deutlicher phrasiert den Vorhang des Satzes heben. Aber insgesamt wirkt dieses Haydn-Spiel im Vorfeld des polnischen „Restes" handwerklich souverän, ehrlich in der musikantischen Haltung zwischen den Polaritäten Emotion und Analytik.
Als sicher getroffen empfinde ich Mikulskis tastende, aber keineswegs schleppende Inbetriebnahme des esoterischen cis-Moll-Préludes von Chopin (op. 45). Und vorbildlich verhält sie sich, was das mit zwei Tonrepetitionen oft unverständlich, weil verhetzt phrasierte Polonaisenthema anbelangt. Die linke Hand zögert im weiteren Vorlauf des Werkes nicht, den Polonaisen-Rhythmus energisch durchzuhalten, wenn man will: genüßlich auszukosten. Ein positives Merkmal dieser Deutung, das man selbst in Aufnahmen berühmter Chopin-Interpreten (Argerich!) zumindest phasenweise vermisst.
Vergleichsaufnahmen Chopin: Andante spianato et Grande Polonaise op. 22 – Klonz (ACD 6094), Demidenko (AGPL 1-010), Mursky (Hänssler PH 04069), Switala (Narodny Institut Frydryk Chopin NIFCCD 006), Harasiewicz (Philips/Decca 442 8746), Argerich (DG 477 5870), Kempff (1958 /IDIS 6555), Wunder (ORF I CD 453; DG 477 9634), Kawamura (RCA / BMG Japan BVOC-31115), Michna (Elisio ECD 1810), Zitterbart (Gutingi 106), Goerner (Wigmore Hall live 0039), Nakamatsu (harmonia mundi France 907218), Pletnev (DG 459 634-2), Lortie (Chandos 9597), Olejniczak (Opus 111 OPS 2007), Biret (Naxos 8.501501), Malikova (RS 0051-0027), Lim (Greenhouse 1014), Lazic (Channel classics CCS 15998), Sottile (Nuova Era 7278), Serdar (EMI 572821 2), A.Schiller (upbeat URCD 132), Magaloff (fonè 87 F 06-18), Imamine (Fabula Classica 29907-2), Hara (Fukuoka 30.8.2000); Szymanowski: Préludes op. 1 – Plagge (aulos 66107), Kupiec (Koch 3-6562-2) Kessel (Arte Nova 75498 2), M. Jones (Nimbus 1750).
Peter Cossé † [28.10.2011]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Joseph Haydn | ||
1 | Klaviersonate Nr. 46 As-Dur Hob. XVI:46 (Divertimento) | 00:13:56 |
Karol Szymanowski | ||
4 | Präludium d-Moll op. 1 Nr. 2 | 00:02:42 |
5 | Präludium c-Moll op. 1 Nr. 7 | 00:02:55 |
6 | Präludium es-Moll op. 1 Nr. 8 | 00:02:25 |
7 | Präludium b-Moll op. 1 Nr. 9 | 00:02:27 |
8 | Variationen b-Moll op. 3 für Klavier | 00:12:05 |
Frédéric Chopin | ||
9 | Prélude cis-Moll op. 45 | 00:05:00 |
10 | Walzer cis-Moll op. 64 Nr. 2 | 00:04:08 |
11 | Grande Valse Brillante As-Dur op. 34 Nr. 1 | 00:05:27 |
12 | Grande valse brillante F-Dur op. 34 Nr. 3 | 00:02:33 |
13 | Mazurka b-Moll op. 24 Nr. 4 | 00:05:00 |
14 | Mazurka h-Moll op. 33 Nr. 4 | 00:05:41 |
15 | Mazurka cis-Moll op. 63 Nr. 3 | 00:02:04 |
16 | Andante spianato et Grande Polonaise brillante Es-Dur op. 22 | 00:14:28 |
Interpreten der Einspielung
- Aleksandra Mikulska (Klavier)