Franz Schubert Piano Works Vol. 6

hänssler CLASSIC 98.521
1 CD • 14min • 2007
03.08.2011
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Das Hauptwerk von Gerhard Oppitz' sechster Schubert-Runde, die C-Dur-Sonate D 840, ist unvollendet geblieben und kurioserweise gleichzeitig so gut wie fertig: die ersten beiden Sätze sind abgeschlossen, der dritte beinahe und vom Finale existiert ungefähr die Hälfte. Bei Schuberts rasantem Arbeitstempo wäre der Rest eine Sache von ein, zwei Tagen gewesen, möchte man meinen, und es ist nicht überliefert, warum er die Sonate so stehen ließ. 1922 wurde sie von seinem Landsmann Ernst Krenek vervollständigt, doch langfristig hatte dessen Ergänzung der romantischen Aura eines Schubert-Fragments mit dem morbid-faszinierenden Beinamen Reliquie nichts entgegenzusetzen. Zudem wurden die ersten beiden Sätze bereits 1826 veröffentlicht und dürfen daher in ihrem Unvollendet-Sein als komplett gelten, ähnlich wie die wesentlich bekanntere 7. Sinfonie.
So hat sich Gerhard Oppitz völlig legitim für den Original-Torso entschieden, der ja immerhin auch gute dreißig Minuten beansprucht. Seine Interpretation ist nicht einfach in Worte zu fassen, denn zweifellos „kann" er Schubert: der Ton ist rund und sanglich, die Linien fließen weich über sorgsam dosierter Begleitung und sonorem Baß-Fundament. Die Register werden klar gesetzt, und wenn der Satz ins Akkordische geht, klingt das Klavier voll und niemals hart. Über alle manuellen Hürden ist Oppitz sowieso erhaben, und trotzdem... trotzdem sieht man irgendwann auf die Uhr, wie lange das jetzt noch dauert. Denn auch wenn eigentlich alles stimmt, fehlt doch etwas ganz Wichtiges, um Schuberts weite Landschaften wirklich zu verstehen und sich in ihnen verlieren zu können. Der leicht topfige und mittellastige Klang der Aufnahme mag mit ein Grund sein, doch am meisten stört Oppitz' Eigenheit, den natürlichen Gang der Musik immer wieder leicht auszubremsen, um ja keines der vielen kleinen hübschen Blümchen am Wegesrand zu verpassen. Leider vergißt er, auf der anderen Seite hinzuzufügen, was er auf der einen Seite weggenommen hat: so verbreitert er diesen Ton, kostet jene Linie aus, macht hier ein rallentando, setzt da verspätet ein – der große Atem kann so nicht entstehen. Eine wienerisch nonchalante Pedalisierung tut noch ihr Übriges, um viele artikulatorische Details zu verwischen, und so wirkt die Sonate als Ganzes arg lang und monochrom.
Den ersten Band der Impromptus spielt Oppitz deutlich frischer, vor allem die zweite Nummer in Es-Dur erfreut durch Verve und Schwung bis in die Zielgerade. Während die Impromptus in der Sammelausgabe mit den Moments musicaux wahrscheinlich bei jedem (Hobby)pianisten im Schrank stehen, sind die 12 Deutschen D 790 weit weniger bekannt. In diesem bunten Ländler-Mikrokosmos der österreichischen Seele vergibt Oppitz leider viele Möglichkeiten agogischer Freiheit und charmanter Raffinesse. Stattdessen waltet die Routine einer langen Berufserfahrung – doch als intuitives Mittel zur Gestaltung taugt die bei Schubert nun wirklich nicht.
Henri Ducard [03.08.2011]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Franz Schubert | ||
1 | Klaviersonate Nr. 15 C-Dur D 840 (Reliquie) | 00:30:07 |
3 | Allegretto c-Moll D 915 | 00:06:19 |
4 | Impromptu c-Moll op. 90 Nr. 1 D 899 Nr. 1 | 00:10:50 |
5 | Impromptu Es-Dur op. 90 Nr. 2 D 899 Nr. 2 | 00:04:30 |
6 | Impromptu Ges-Dur op. 90 Nr. 3 D 899 Nr. 3 | 00:05:37 |
7 | Impromptu As-Dur op. 90 Nr. 4 D 899 Nr. 4 | 00:07:32 |
8 | 12 Deutsche Tänze D 790 | 00:13:40 |
Interpreten der Einspielung
- Gerhard Oppitz (Klavier)