Georg Philipp Telemann
Quatuors Parisiens Vol. 2 & 3
cpo 777 376-2
2 CD • 2h 14min • 2008
15.06.2011
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Anno 1730 brachte Georg Philipp Telemann in Hamburg im Eigenverlag sechs Quadri heraus, die nicht zuletzt durch den vorzüglichen Nachdruck durch den Pariser Notenverleger Le Clerc im Jahr 1736 den Beinamen Pariser Quartette erhielten. 1737 unternahm Telemann, möglicherweise ermuntert durch das allgemeine Lob für diese ersten Pariser Quartette, eine Reise in die französische Hauptstadt. Während seines achtmonatigen Aufenthalts in Paris traf er mit der Musikerelite Frankreichs zusammen, hörte seine Werke in hervorragenden Aufführungen und war von der begeisterten Aufnahme seiner Musik in Paris so angetan, dass er noch eine zweite Serie Quartette komponierte, die seine Eindrücke vom Pariser Musikleben widerspiegeln. Diese Stücke bescherten ihm abermals einen durchschlagenden Erfolg, dessen er sich in seiner Autobiographie von 1739 erinnert: „Die bewunderungswürdige Art, mit welcher die Quatuors von den Herren Blavet, Traversisten, Guignon, Violinisten, Forqueray dem Sohn, Gambisten, und Edouard, Violoncellisten, gespielt wurden, verdiente, wenn Worte zulänglich wären, hier eine Beschreibung. Genug, sie machten die Ohren des Hofes und der Stadt ungewöhnlich aufmerksam und erwarben mir, in kurzer Zeit, eine fast allgemeine Ehre, welche mit gehäufter Höflichkeit begleitet war."
Telemann war 1730, beim Erscheinen der von ihm selbst gestochenen Noten der Quadri, 49 Jahre alt und befand sich folglich 1737 beim Antritt seiner Reise nach Paris mit 56 Jahren in einem für damalige Zeiten hohen Lebensalter. So können die beiden Sammlungen der Pariser Quartette mit Fug und Recht als sein kammermusikalisches Testament an Zeitgenossen und Nachwelt betrachtet werden: Hatte er in der Sammlung von 1730 exemplarisch seine versierte Handhabung des italienischen wie des französischen Stils vorgeführt, so waren die Quatuors von 1738 eine Hommage an die französische Nation, die ihm bei seinem Besuch in ihrer Hauptstadt so viel Ehre erwies. Unzweifelhaft gehören die Werke, schaut man sie aus der Vogelperspektive einer heutigen enzyklopädischen Kenntnis der Alten Musik an, zu den Höhepunkten der Kammermusik des 18. Jahrhunderts.
Die vorliegende Doppel-CD, aufgenommen im November 2008, vervollständigt die Einspielung der Quatuors Parisiens, die John Holloway, Linde Brunmayr, Lorenz Duftschmid, Ulrike Becker und Lars-Ulrik Mortensen 2006, ebenfalls im November, mit einer zu Recht von der Kritik hoch gelobten Aufnahme begonnen hatten. Die Aufnahme des Ensembles Florilegium zog sich noch länger hin: Von der ersten, 1998 aufgenommenen CD brauchte es fünf Jahre, bis die restlichen beiden CDs dann in zwei aufeinanderfolgenden Jahren eingespielt wurden. Die mittlere der drei CDs von Florilegium durfte ich 2004 als neue Referenzaufnahme auf dem Markt begrüßen. Seinerzeit betonte ich, dass die bislang tonangebende Einspielung der Quatuors Parisiens durch die Gebrüder Kuijken und Gustav Leonhardt dadurch keinesfalls an Bedeutung verliere; mittlerweile ist die epochemachende Aufnahme der belgisch/niederländischen Altmeister der Alten-Musik-Szene leider seit Jahren vergriffen, so dass jeder sich glücklich schätzen darf, der diese 3-CD-Box in seinem Schallplattenschrank stehen hat.
In der jetzt vervollständigten Aufnahme der Quatuors Parisiens durch John Holloway und seine Mitstreiter hat die alte Einspielung der Kuijkens mit Gustav Leonhardt freilich würdige Nachfolger gefunden, die sich den Werken auf ähnliche Weise nähern: Die musikalische Rhetorik spielt eine große Rolle bei Holloway, Brunmayr, Duftschmid, Becker und Mortensen, die hier wirklich als intellektuelles Kollektiv zusammenwirken, ohne dass dabei Temperament und Eleganz zu kurz kommen, sie wohnen dieser geistvollen Unterhaltungsmusik auf höchstem Niveau ja zweifellos ebenfalls in hohem Maße inne. Florilegium setzt in seiner Darstellung eher auf effektvolle Dramatik und auf Charme; oft rangiert auch Klangschönheit vor Klangrede, was schnelle Tempi gelegentlich schneller und langsame verhaltener macht als bei Holloway und Consorten.
So bieten sich gegenwärtig zwei musikalisch ebenbürtige, gestalterisch aber durchaus verschiedene Versionen der Quatuors Parisiens an: Telemanns kammermusikalisches Legat an die Nachgeborenen ist wichtig genug, sich ihm in ausführlichen Vergleichssitzungen zu widmen; und John Holloway, Linde Brunmayr, Lorenz Duftschmid, Ulrike Becker und Lars-Ulrik Mortensen haben diesem deutschen Höhepunkt in der europäischen Musik des Spätbarock ein würdiges Monument gesetzt! Dank sorgfältiger Tontechnik des koproduzierenden SWR ist auch die Klangqualität erstklassig.
Vergleichsaufnahme: Ensemble Florilegium. Channel Classics CCS 13598, CCS SA 20604, CCS SA 21005 (AD: 1998, 2003, 2004).
Detmar Huchting [15.06.2011]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Georg Philipp Telemann | ||
1 | Concerto Primo G-Dur TWV 43:G1 | 00:10:14 |
4 | Deuxième Suite h-Moll TWV 43:h1 | 00:09:19 |
9 | Première Suite e-Moll TWV 43:e1 | 00:17:00 |
15 | 3e Quatuor G-Dur TWV 43:G4 | 00:20:46 |
CD/SACD 2 | ||
1 | 4e Quatuor h-Moll TWV 43:h2 | 00:17:36 |
7 | 1er Quatuor D-Dur TWV 43:D3 | 00:16:10 |
13 | Sonata Seconda g-Moll TWV 43:g1 | 00:10:41 |
17 | 5e Quatuor a-Moll TWV 43:a3 | 00:16:15 |
Interpreten der Einspielung
- John Holloway (Violine)
- Linde Brunmayr (Traversflöte)
- Lorenz Duftschmid (Viola da gamba)
- Ulrike Becker (Violoncello)
- Lars Ulrik Mortensen (Cembalo)