Ondine ODE 1174-2
1 CD • 76min • 2010
25.02.2011
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Einojuhani Rautavaaras erste Oper, die er im Rückblick als “vielleicht die beste, die ich je geschrieben habe” einschätzt, hat bis heute das Licht der Bühne nicht erblickt. Diese Nicht-Aufführungsgeschichte ist beinahe einzigartig und hatte zunächst politische Gründe. Kaivos (Das Bergwerk), die Geschichte eines Arbeiteraufstandes in einem totalitär regierten europäischen Land, weist zahlreiche Parallelen zum Ungarn-Aufstand von 1956 auf, der gerade ein Jahr zurücklag, als Rautavaara – Librettist und Komponist in Personalunion – mit der Arbeit an dieser Oper begann. Zu dieser Zeit absolvierte er ein Studium der Zwölftonmusik bei Wladimir Vogel in Ascona, erlebte die konzertante Uraufführung von Schönbergs Moses und Aron in Zürich und vertiefte sich in Jean-Paul Sartres Existential-Philosophie. Alle diese Einflüsse haben Kaivos maßgeblich geprägt. Das Bergwerk wird zur Metapher der Eingeschlossenheit, der politische Thriller mit seinen Massenszenen bildet nur die Folie für eine Parabel über die Verantwortung des Individuums. Musikalisch bedient sich Rautavaara der frisch erworbenen Zwölftontechnik, die er aber nicht im strengen Schönbergschen Sinne, sondern eher im expressiv-emotionalen Stile Bergs anwendet.
Die Finnische Nationaloper, die das Werk zur Uraufführung bringen wollte, machte aus politischen Bedenken, konkret: aus Furcht, den mächtigen Nachbarn Sowjetunion zu verärgern, einen Rückzieher, auch eine überarbeitete und politisch entschärfte Version wurde nicht angenommen. Schließlich brachte das Finnische Fernsehen die Oper in einer nochmals revidierten Fassung am 10. April 1963 heraus. Auch in den folgenden Jahrzehnten scheiterten, aus unterschiedlichen Gründen, die Bemühungen, Kaivos auf die Bühne zu bringen. Im vergangenen September fand in Tampere eine konzertante Aufführung statt, die immerhin den Effekt hatte, das Stück ins Gedächtnis zurückzurufen. Der Mitschnitt liegt jetzt auf CD vor. Ob er den Anstoß zu einer szenischen Uraufführung geben wird, bleibt abzuwarten. Weder die kommunistischen Diktaturen noch Sartres Philosophie sind heute noch aktuell und die reflektionsreichen Monologe und Dialoge stehen der Bühnenwirksamkeit etwas im Wege. Als Hör-Oper funktioniert Kaivos aber auch nicht, zu viel Phantasie wird da dem Hörer abverlangt, um sich den Handlungsablauf vorzustellen. Das spröde Parlando der Gesangspartien wirkt auf Dauer einförmig, vor allem, wenn man den gesungenen Text nicht versteht. Die expressive, Stimmungen schaffende Behandlung des Orchesterparts ist dagegen spannender, vor allem wenn Rautavaara den instrumentalen Kommentar mit Bühnenmusik (Jazzband aus dem Radio im 2. Akt, liturgischer Choral im 3. Akt) collagiert.
Die Aufführung in Tampere unter Hannu Lintus Leitung ist sehr dicht geraten, in den Chorszenen kommt sogar Bühnenatmosphäre auf. Die Sänger sind durchweg prägnant, wobei es beim Nur-Hören irritiert, dass beide männlichen Protagonisten – und Gegenspieler! - (Hannu Niemelä als Partisan Simon, Jorma Hynninen als Kommissar) das Baritonfach singen. Johanna Rusanen-Kartano meistert die Schwierigkeiten der nicht sehr stimmfreundlich geschriebenen einzigen Frauenpartie beachtlich.
Ekkehard Pluta [25.02.2011]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Einojuhani Rautavaara | ||
1 | The Mine (Opera in three Acts) |
Interpreten der Einspielung
- Hannu Niemelä (Simon - Bariton)
- Johanna Rusanen-Kartano (Iras - Sopran)
- Jorma Hynninen (Kommissar - Bariton)
- Jaakko Kortekangas (Priester - Bariton)
- Mati Turi (Marko - Tenor)
- Petri Pussila (Vanha - Bariton)
- Tuomas Katajala (Ein Bergmann - Tenor)
- Kaivos Chorus (Chor)
- Tampere Philharmonic Orchestra (Orchester)
- Hannu Lintu (Dirigent)