Alessandro Scarlatti Sacred Works
cpo 777 476-2
1 CD • 68min • 2008
26.10.2010
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Alessandro Scarlatti hat den Stil der neapolitanischen Oper geprägt und die italienische Solokantate zu ihrem Höhepunkt geführt. Neben weit über 100 Opern, neben Oratorien und mehr als 800 Kantaten und einigen Instrumentalwerken findet sich im Repertoire Alessandro Scarlattis – er ist der Vater des ungeachtet seiner eigenen Bedeutung heute weit bekannteren Tastenmusikers Domenico Scarlatti – ein zwar zahlenmäßig weniger relevantes, aber doch auch wieder alles andere als unbedeutendes Bündel geistlicher Kompositionen. Kirchenmusik hat Scarlatti während seines ganzen Komponistenlebens geschaffen, selbst dann, wenn er nicht, wie schon ganz zu Beginn seiner beruflichen Tätigkeiten, kirchliche Ämter wie das eines „maestro di capellaì in Rom bekleidete. Einer abgesicherten Chronologie lassen sich seine Kirchenwerke allerdings nur schwer oder gar nicht zuordnen, die datierten Quellen bilden nur einen kleinen Teil dieses Schaffenssegments, und bei den undatierten Werken ist man auf Fragestellungen der Entwicklung der Stilistik und auf biographische Hinweise angewiesen.
Über einen Zeitraum von 40 Jahren hat Scarlatti Psalmen, Magnificat-Vertonungen, Gradualia, Hymnen, Lamentationen und auch Motetten komponiert. Nach der entscheidenden Wende um 1600 konnte sich Scarlatti im Hinblick auf die kompositorischen Mittel wie jeder Komponist seines Zeitalters für den herkömmlichen, strengeren Regeln unterworfenen Palestrina-Stil oder für die moderne und expressive Technik des geistlichen Solo-Konzerts entscheiden. Scarlatti versuchte öfter, diese gegensätzlichen Stilarten innerhalb ein und desselben Werks ein wenig anzugleichen. In den vier Werken Scarlattis, die Marcello Di Lisa und das von ihm 2003 in Pisa gegründete und aus Instrumentalisten wie Vokalisten bestehende Ensemble Concerto deë Cavalieri für ihre Neueinspielung ausgewählt haben, neigt sich das Pendel indes mehr dem konzertanten Stil zu. Im Graduale Benedicta et venerabilis es (eine Ersteinspielung!), im Salve Regina (möglicherweise aber gar kein Werk Scarlattis!), in der Motette Mortales non auditis und in der Psalmkomposition Nisi Dominus bereitet Scarlatti den Boden für einen recht kontraststarken Verlauf, den Marcello Di Lisa und sein Ensemble aufs Äußerste ausreizen wollen. Gewiss, seine Instrumentalisten, allen voran die beiden Solo-Violinen, vermögen da ausgesprochen prägnant und mit scharfer, knapp angerissener Artikulationszuspitzung zu zeichnen, und Marcello Di Lisas Sänger, hier insbesondere die Sopranistin Gemma Bertagnoli, wissen da auf der anderen Seite mit bestechend klarer und hoch virtuoser, wenn auch bisweilen etwas gezwungen formulierter Linienführung aufzuwarten, doch diese forcierte Attacke gewinnt schnell den Eindruck einer scharfkantigen Gestanztheit. Jähe Wechsel versetzen, ja werfen den Hörer abrupt in die beruhigten Passagen im jeweiligen Werkverlauf. Wenigstens diese weisen dann in der hier zu Tage tretenden Sensibilisierung der gestalterischen Mittel immerhin eine gewisse pulsierende Lebendigkeit auf, so etwa, was das durchaus spannungsreiche Auskosten der Vorhaltsdissonanzen anbelangt. Was man aber ansonsten in den raschen Teilen an holzschnittartig starrer und pedantisch gehandhabter metrischer Genauigkeit zu hören bekommt, mutet ohne jedes Eingehen auf eine feinfühlige Differenzierung des Ausdrucks fast reißerisch an. Zudem geht in Marcello Di Lisas einebnender Herangehensweise weitgehend unter, dass Scarlatti das Vokalensemble auch bisweilen zum vollen Chor erweitert. Hier hat man eine Chance gründlich vertan.
Thomas Bopp [26.10.2010]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Alessandro Scarlatti | ||
1 | Benedicta et venerabilis es (Graduale per la festività della Beata Vergine a canto con pieni e stromenti) | 00:10:32 |
6 | Varie partite obbligate al basso | 00:04:12 |
7 | Salve regina (Antifona a canto ed alto con violini) | 00:13:10 |
13 | Toccata per organo | 00:11:49 |
14 | Mortales non auditis (Motetto per la Beata Vergine, a canto ed alto con violini) | 00:12:20 |
21 | Toccata Nr. 8 | 00:03:31 |
22 | Nisi Dominus (Salmo CXXVI a due voci concertanti, canto ed alto, e quttro ripieni con violini) | 00:12:21 |
Interpreten der Einspielung
- Gemma Bertagnolli (Sopran)
- Adriana Fernandez (Sopran)
- Sara Mingardo (Alt)
- Martin Oro (Countertenor)
- Furio Zanasi (Bariton)
- Antonio Abete (Bass)
- Andrea Coen (Orgel)
- Concerto de' Cavalieri (Ensemble)
- Marcello Di Lisa (Dirigent)