Glossa GCD 920310
2 CD • 1h 58min • 2009
09.07.2010
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Als König Karl II. von Spanien 1700 kinderlos verstarb, standen zwei Aspiranten bereit, den verwaisten spanischen Königsthron zu besteigen: Philipp von Anjou, Enkel des Sonnenkönigs, und Erzherzog Karl von Österreich. Jeder führt dynastische Gründe ins Feld, die ihn bevorrechtigen sollten – der Spanische Erbfolgekrieg (1701-1713) war die unausbleibliche Folge.
Philipp hatte 1701 den spanischen Thron bestiegen und residierte als Philipp V. in Madrid; Karl hingegen hielt als Karl III. von Spanien seit 1705 in Barcelona Hof. 1711 starb sein Bruder Kaiser Joseph I. in Wien ohne männlichen Nachkommen, und Karl wurde als Karl VI. auch römisch-deutscher Kaiser. Aus Angst vor einer Erneuerung der österreichisch-spanischen Dominanz in Europa, wie sie unter Karl V. von 1519 - 1556 bestanden hatte, ließen Karl VI. seine Verbündeten im Stich und er musste schließlich Spanien dem Widersacher überlassen. Zeit seines Lebens hat er den Verlust dieser Krone nicht verwunden.
Die vorliegende Serenata Il più bel nome soll in Barcelona 1708 anlässlich der Hochzeit Karls III. mit Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel entstanden sein. Vielleicht war der Anlass freilich auch bescheidener: der Namenstag der jungen Gattin Karls. Ein pikantes Detail war, dass der Komponist des Werkes, Antonio Caldara, zuvor in Diensten des Herzogs von Mantua gestanden hatte, der von den Österreichern als Anhänger der französischen Gegner 1707 von Thron vertrieben worden war. Wie nahezu alle Habsburger war Karl überaus musikalisch, Caldaras kleine Oper begeisterte ihn; ab 1716 diente der aus Venedig stammende Komponist als Vizekapellmeister am Wiener Kaiserhof – Karl VI. soll dort mehrere Aufführungen von Opern Caldaras selbst geleitet haben.
Il più bel nome ist als Serenata eine Kammeroper, die – ohne dem strengen Regelnwerk der großen Opera zu unterliegen – dem Komponisten erlaubt, seiner musikalischen Eingebung freien Lauf zu lassen. Das hat Caldara für dieses Werk in reichem Maße getan; herausgekommen ist eine überaus charmante Musik, die mit vielen unterhaltsamen Details aufwartet, ohne die Erwartungen eines höfischen Publikums des Spätbarocks in die musikalischen Konventionen zu enttäuschen: Die Sänger erhalten Gelegenheit, ihre geläufige Gurgel zu präsentieren, und auch die Instrumentalisten können immer wieder virtuose Kunststücke vorführen.
Emilio Moreno leitet sein Ensemble mit engagierter Verve, ohne dabei ein charmantes Augenzwinkern außer Acht zu lassen. Seine Vokalsolisten sind von Können und Timbre hervorragend aufeinander eingestimmt, ebenso musiziert das Ensemble El Concierto Español frisch und ohne jede Übertreibung – hier wird kein eleganter Akzent urplötzlich zum verstörenden Ausrufungszeichen. So werden Aufführungen hervorragender Musik, die doch ohne jeden avantgardistischen Ehrgeiz komponiert wurde, zum abwechslungsreichen Genuss; wir können uns daher heute amüsieren, wie es unzweifelhaft auch dereinst der 23-jährige Thronprätendent und seine mit 17 Jahren der Kindheit kaum entwachsene Braut taten.
Detmar Huchting [09.07.2010]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Antonio Caldara | ||
1 | Il più bel nome |
Interpreten der Einspielung
- Robin Blaze (Paride - Countertenor)
- María Espada (Venere - Sopran)
- Raquel Andueza (Giunone - Sopran)
- Marianne Beate Kielland (Ercole - Mezzosopran)
- Augustin Prunell-Friend (Il Fato - Tenor)
- El Concierto Español (Ensemble)
- Cor de Cambra d'Antiga de l'Esmuc (Chor)
- Emilio Moreno (Leitung)