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Besprechung CD

Roger Norrington

Mahler

SWRmusic 93.244

1 CD • 72min • 2009

17.03.2010

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 7
Klangqualität:
Klangqualität: 8
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 7

An Einspielung wie dieser können sich die Geister scheiden. Folgt man Roger Norrington, dem wortgewandten Dirigenten, Musikforscher und engagierten Verfechter historischer informierter Aufführungspraxis, dann ist dieser Mitschnitt eines Konzertes vom 5. September 2008 „vielleicht der erste seit etwa siebzig Jahren, der die Klangwelt wiederherzustellen versucht, die für Mahler beim Komponieren der Sinfonie in den Jahren 1909/10 selbstverständlich gewesen ist." Die letzte vergleichbare Aufnahme sei die (bekannte) eines Konzerts der Wiener Philharmoniker unter Leitung Bruno Walters aus dem Jahre 1938. Dann formuliert Norrington im Booklet apodiktisch: „Walters Aufführung markierte das Ende einer Ära" und „war für ein halbes Jahrhundert die letzte Gelegenheit, ein Orchester mit reinem Ton spielen zu hören". Norrington - das ist klar - möchte den „reinen" (Streicher-)Ton wieder in sein Recht setzen. Nach Klassik und Romantik, nach Brahms und Bruckner ist er längst bei Mahler angekommen und lässt auch dessen Sinfonien von seinem Stuttgarter Orchester vibratofrei musizieren.

Verblüffend ist dann aber doch, dass diese Aufnahme gar nicht so sehr anders klingt als jene, in denen Orchester mit Vibrato spielen. Das Stuttgarter Orchester leistet, von seinem Chef bestens präpariert, trainiert und animiert, Großes, kommt indes nicht an die Qualitäten der Wiener Philharmoniker heran. Die spielen ihren Mahler mit mehr Raffinesse, flexibler und auch sinnlicher. Das hört man der Aufnahme von 1938 trotz aller aufnahmetechnischen Unzulänglichkeiten deutlich an.

Geht es um Deutung dieser letzten vollendeten Mahler-Sinfonie, hat man den Eindruck, dass Norrington auf eine Art „Mahler Light" zielt. Das ist nicht nur eine Frage der Tempi. Schließlich hat auch Bruno Walter 1938 recht zügige Zeitmasse bevorzugt. Doch hat seine Interpretation dabei mehr Gewicht und Faszination. Bei Norrington beginnt der erste Satz fast nüchtern, nicht zögernd oder gleichsam tastend, sondern sehr entschieden. Es gibt im Verlauf dieses Andante wunderbare klangliche Wirkungen, dramatische Ausbrüche, Aufschwung und Zurückfallen in Depression, aber kaum Geheimnisse.

Die Mittelsätze stellt Norrington größtenteils zu harmlos dar. Der zweite Satz wird weder „im Tempo eines gemächlichen Ländlers", noch „etwas täppisch und sehr derb" (Spielanweisung in der Partitur) genommen. Norrington deutet ihn als ironischen Ländler, lässt ihn eher als Parodie musizieren. Der zweite Teil hat mehr Akzent und Wucht, die unterschiedlichen Tempi und Stimmungsumschwünge werden gut herausgearbeitet, doch insgesamt fehlt es an Gewicht. Das Rondo, das Norrington als „chaotisch und verstörend, aber auch freudig" versteht, wird recht flott vorwärtsmusiziert. Sein burlesker Charakter bleibt auf der Strecke. Das Finale hebt gerade nicht „sehr langsam und noch zurückhaltend" an und erhält seine Tiefe, den Charakter der Zerrissenheit, des Abschieds, ja den Gestus der Verzweiflung erst am Ende, freilich ohne dass dem Hörer der Atem stockt.

Die Aufnahme ist klar, präsent, plastisch, hat Tiefe und Direktheit und vermittelt so die Spielkultur des RSO Stuttgart auf's Beste. Die Interpretation bleibt eine Geschmacksfrage. Mag man auf der einen Seite Norringtons Bemühen um historische Treue und emotionale Zurückhaltung goutieren, so fehlt Mahlers Neunter in dieser Sicht - neben dem gewohnten Streicherglanz - doch Entscheidendes, nämlich die große Spannung und die Suggestivitäät. Etwas mehr Affekt dürfte schon sein!

Peter Heissler [17.03.2010]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Gustav Mahler
1Sinfonie Nr. 9 D-Dur

Interpreten der Einspielung

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