Georg Philipp Telemann
O woe! O woe! My canary is dead!
Secular Cantatas & Overtures
Accent ACC 24199
1 CD • 79min • 2009
05.03.2010
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Zu Lebzeiten galt Telemann als der bedeutendste deutsche Komponist, und so wurde er auch als erster gefragt, als 1722 in Leipzig die prestigeträchtige Stelle des Thomaskantors neu zu besetzen war. Telemann hatte im Jahr zuvor seinen Dienst als Hamburgischer Musikdirektor angetreten und verspürte nicht eben viel Lust, in seine Studentenstadt an der Pleiße zurückzukehren – so benutzte er die Leipziger Anfrage dazu, von den Hamburger Behörden eine zweimalige Erhöhung seiner Bezüge zu erpressen, guter Kaufmann, der er eben war. Die Leipziger hatten das Nachsehen und versuchten ihr Glück bei Johann Friedrich Fasch, Kapellmeister in Zerbst, und seinem Kollege beim Landgrafen von Hessen-Darmstadt, Johann Christoph Graupner, die aber beide aus ihren Stellungen nicht freikamen und abwinken mussten. So gaben sich die Leipziger schließlich mit dem Köthener Kapellmeister Johann Sebastian Bach zufrieden, allerdings nicht, ohne frustriert ins Protokoll zu schreiben: „Da man nun die besten nicht bekommen könne, müsse man den mittleren nehmen…“ Bach und Telemann hingegen schätzten einander sehr, und Bach selbst würde sicherlich kaum verstanden haben, mit wie viel Häme man Telemann lange als vielschreiberischen Kleinmeister abtat, während er selbst zum A und O der Musik verklärt wurde.
Diese CD ist das beste Beispiel dafür, dass man Telemann bitter Unrecht tut, wenn man seinen immensen Fleiß als Beweis für Mittelmäßigkeit nimmt. Telemann selbst war sich übrigens der Qualität seiner Musik sehr wohl bewusst und lernte (als ob er nicht mit Komponieren schon genug zu tun hatte!) das Notenstechen, um fehlerhafte Ausgaben der von ihm als wichtig beurteilten Werke zu vermeiden. Mit drei Ouvertüren und zwei weltlichen Kantaten hat Ewald Demeyre ein abwechslungsreiches Programm zusammengestellt, das alle Vorurteile gegen Telemann Lügen straft, den Kenner erfreut und den Novizen zum Telemann-Bewunderer macht. Von der repräsentativ-festlichen Atmosphäre bis zum stimmungsvollen Innehalten geht das reiche Spektrum der Affekte in den Orchesterstücken, und Dorothee Mields charakterisiert überaus amüsant die Karikaturen, die Telemann in den beiden Kammerkantaten entwirft: in Der Weiber-Orden die Braut, die ungeduldig darauf wartet, endlich das Ehebett zu besteigen und schon einmal ein Wiegenlied für den bald zu erwartenden Stammhalter entwirft, und die ohnmächtige Wut auf den Tod oder den Kater, der ihr in Trauer-Music eines kunsterfahrenen Canarien-Vogels das geliebte Federvieh entrissen hat. Das ist Unterhaltung auf höchstem Niveau!
Detmar Huchting [05.03.2010]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Georg Philipp Telemann | ||
1 | Ouvertüre C-Dur TWV 55:C5 für Streicher und Basso continuo (La Bouffonne) | 00:21:11 |
7 | Der Weiber-Orden TWV 20:49 (Kantate) | 00:11:09 |
12 | Ouvertüre C-Dur TWV 55:C2 | 00:14:31 |
19 | Trauer-Music eines kunsterfahrenen Canarienvogels | 00:17:38 |
27 | Ouvertüre burlesque B-Dur TWV 55:B8 | 00:14:36 |
Interpreten der Einspielung
- Dorothee Mields (Sopran)
- Bach Concentus (Orchester)
- Ewald Demeyere (Dirigent)