Russian Piano Music
OehmsClassics OC 726
1 CD • 76min • 2008
13.05.2009
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Wenn in unseren Zeiten ein deutscher Pianist das Finale des Moskauer Tschaikowsky-Wettbewerbs erreicht, dann wird das in der heimischen Presse nicht weiter Aufsehen erregen. Natürlich zielt der Vorwurf ins Leere, sofern man ein wenig mit der Sachlage vertraut ist, denn die Redaktionen sind in den letzten Jahrzehnten mit Wettbewerbsmeldungen, genauer: mit der schieren Unzahl von Wettbewerben überfordert. In vielen Großstädten nehmen die führenden Blätter die „ortseigenen“ Wettbewerbe oft nur noch am Rande zur schreibenden Kenntnis, schicken einen Mitarbeiter in die Finalrunde oder – schlimmer noch – zum Galakonzert, wodurch im Allgemeinen extrem verzerrte, von Unkenntnis bzw. mangelnder Einfühlung geprägte Berichte die Kulturseiten (verun)zieren.
So mag es verständlich erscheinen, wenn vielen Musikfreunden in Anbetracht dieser Oehms-Premiere der Name des 2007 in Moskau prämierten, inzwischen 28jährigen Münchners Benjamin Moser nicht geläufig ist. Zum Glück: Bekanntschaft und Begegnung lassen sich nachholen – und zu diesem Zweck ist diese CD mit einem attraktiven, klug gewählten „à la russe“-Programm mehr als dienlich. Denn der auch andernorts „ausgezeichnete“, als Jungstudent in München bei Michael Schäfer ausgebildete, zuletzt in Berlin bei Klaus Hellwig studierende Moser verfügt über jene pianistische Potenz (Kraft, Zuverlässigkeit, Reflexe, dynamische Feinabstufung etc.), die es ihm erlaubt, auch ein so anstrengendes, sozusagen klavierorchestrales Werk wie Scriabins Fantasie op. 28 zu bewältigen. Ja mehr noch: Moser gelingt es, die Akkordmassen zu staffeln, ihnen Sinn im Zusammenhang mit den ruhigeren Passagen zu verleihen. Der Vergleich macht zumeist sicher, denn von den recht zahlreichen DG-Aufnahmen des brasilianischen Pianisten Roberto Szidon hielt ich bis zum heutigen Tag dessen Einspielung der genannten Fantasie für eine der imponierendsten. Moser nun verbindet Szidons geordnete Impulsivität, dessen Klarheit in den spritzigen, sozusagen Geysir-ähnlichen Gischtpassagen mit einer ganz eigenen Dosierung des Prächtigen und des überraschend Verborgenen im gewagten akustischen Faltenwurf dieses prall-romantischen Fantasie-Gebäudes.
Die hier formulierten Vorzüge des Künstlers lassen sich auch auf seine Beschäftigung mit den anderen Autoren dieser Edition übertragen. Leidenschaft, mächtiger Zugriff, kantable Innigkeit kennzeichnen die Handhabe der Rachmaninoff-Preziosen, nicht weniger die märchenhaften Auskünfte der beiden kleinen Medtner-Kostbarkeiten. Und für Prokofieffs allzu oft mit überhitztem Zugriff, im Tempo überhastet eingeleiteter B-Dur-Sonate zeigt Moser schon im Kopfsatz genügend kühlen Kopf und manuelle Disziplin, die verschiedenen musikalischen Aggregat-Zustände übersichtlich aneinander zu reihen – und damit dem Ganzen Form und Inhalt zu sichern. Auch das Toccaten-ähnliche Precipitato-Finale läuft ihm nicht aus dem Ruder, sondern mit gutem Gespür für Wirkung hält er sich mit dem Gasfuß zurück, das heißt: er verdichtet die brutale Endstimmung, indem er die Intensität steigert.
Vergleichsaufnahmen: Skrjabin/Fantasie op. 28: Szidon (DG), Berman (Brillant classics 8713/24); Shukov (Telos Music TLS 035), Berthold (Naxos 8.551073), Albanese (Frame 9931-2), Sevidova (Arte Nova 54457 2); Skrjabin/op. 9: Coombs (Hyperion CDA 67149), Kastelsky (TR RCD 16336, Melodia C10-06969/70), Sevidov (Arte Nova 54457 2); Skrjabin/Prélude op. 9,1: Gourari (Koch 3-1431-2), Diev (Arte Nova 65422 2), Lane (Hyperion CDA 67057/8), Zarafiants (Naxos 8.553997), Rozum (Mediaphon-Madacy 72.184), Cherkassky (Ivory 72003); Skrjabin/Nocturne op. 9,2: Weissenberg (Philips 456 988-2, Medici arts DVD 3078048).
Peter Cossé † [13.05.2009]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Sergej Rachmaninow | ||
1 | Prelude gis-Moll op. 32 Nr. 12 – Allegro | 00:02:59 |
2 | Prélude h-Moll op. 32 Nr. 10 – Lento | 00:05:49 |
3 | Etudes Tableaux es-Moll op. 39 Nr. 5 | 00:05:08 |
4 | Prélude Ges-Dur op. 23 Nr. 10 – Largo | 00:03:37 |
5 | Prelude B-Dur op. 23 Nr. 2 – Maestoso | 00:03:34 |
Alexander Scriabin | ||
6 | Fantasie h-Moll op. 28 – Moderato | 00:09:20 |
7 | Prélude et Nocturne op. 9 Nr. 1-2 – Andante - Andante | 00:08:19 |
Nicolai Medtner | ||
9 | Fairy Tale b-Moll op. 20 Nr. 1 | 00:03:03 |
10 | Märchenerzählung h-Moll op. 20 Nr. 2 (Campanella) – Pesante. Minaccioso | 00:03:38 |
Peter Tschaikowsky | ||
11 | October op. 37 No. 10 (Autumn song) | 00:05:19 |
12 | January op. 37 No. 1 (At the Fireside) – Moderato semplice ma espressivo | 00:04:55 |
Sergej Prokofjew | ||
13 | Klaviersonate Nr. 7 B-Dur op. 83 | 00:08:49 |
Interpreten der Einspielung
- Benjamin Moser (Klavier)