Felix Mendelssohn Bartholdy Sämtliche Sinfonien Vol. 3
hänssler CLASSIC 98.536
1 CD • 31min • 2008
22.12.2008
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Die 1950 wiederentdeckten zwölf Streicher- oder Jugend-Sinfonien von Felix Mendelssohn-Bartholdy stellen eine echte Bereicherung des frühromantischen Repertoires dar. Es sind die Genie-Streiche des Elf- bis Dreizehnjährigen – einfallsreich, voll Freude am souverän beherrschten Handwerk und von ganz persönlichem Ausdruck. Die vorliegende dritte Folge der bei Hänssler Classic im Entstehen begriffenen Gesamteinspielung enthält die – ihrer Spieldauer von jeweils etwa zehn Minuten ebenso wie ihrer Anlage nach – eher knapp und bescheiden wirkenden ersten vier Sinfonien sowie die gewichtigere und mit über dreißig Minuten wesentlich umfangreichere neunte Sinfonie, ihres Scherzo-Trios „La Suisse" wegen auch Schweizer Sinfonie genannt.
Die Einspielung der Heidelberger Sinfoniker unter dem in Alter Musik bewanderten Thomas Fey beweist in erster Linie, dass das Ensemble es im Kampf um's Blaue Band wohl mit jedem anderen Kammerorchester aufnehmen kann – eine schlagende Demonstration instrumentaler Raserei, die im Finale der Schweizer Sinfonie das Groteske streift. Dass Geschwindigkeit nur überzeugt, wenn sie wohldosiert verabreicht wird und nicht als Ausdruck eines Zustands von Dauererregtheit auftritt, ist den Musikern im Eifer des Gefechts wohl entgangen. Dass diese Musik neben Virtuosität und satztechnischen Raffinessen auch ihren Anteil Poesie enthäält, kann man nicht einmal ahnen.
Grundsätzlich werden die Sinfonien durch die historisierende Spielweise einseitig in eine retrospektive Ecke gestellt, wobei ein wesentlicher Teil ihres Charakters unterschlagen wird. Die romantischen Elemente, die sich in der Melodiebildung und den harmonischen Wendungen finden, werden kurzerhand unter den Tisch gefegt. Nirgends blühen die Kantilenen, über aparte Modulationen wird brutal hinweggehastet. Unversehens kommt einem das Wort vom Nähmaschinen-Barock in den Sinn. Dazu wird der Klang um jeden Preis rauh und aggressiv gehalten, keine Spur von Eleganz: So hölzern und ruppig hat man Mendelssohn noch nicht gehört. Dass die Technik in den ersten vier Sinfonien die kleine Besetzung heranzoomt und bedrohlich aufplustert, macht die Sache nicht besser. War der Meister des Sommernachtstraums im Knabenalter vielleicht ein Grobian ?
Mit Wehmut erinnert man sich der alten, längst aus dem Katalog gestrichenen Aufnahme der Schweizer Sinfonie mit I Musici, die durch kluge Tempowahl für ein Höchstmaß an Spannung sorgte, bei allem Temperament klanglich flexibel blieb und die Gratwanderung zwischen barocker Technik und romantischer Empfindung überzeugend realisierte. Dafür ist die Neueinspielung in ihrer Einseitigkeit kein angemessener Ersatz.
Sixtus König † † [22.12.2008]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Felix Mendelssohn Bartholdy | ||
1 | Streichersinfonie Nr. 1 C-Dur | 00:11:35 |
4 | Streichersinfonie Nr. 2 D-Dur | 00:10:46 |
7 | Streichersinfonie Nr. 3 e-Moll | 00:09:04 |
10 | Streichersinfonie Nr. 4 c-Moll | 00:09:44 |
13 | Streichersinfonie "La Suisse" Nr. 9 c-Moll (Schweizer Sinfonie) | 00:30:40 |
Interpreten der Einspielung
- Heidelberger Sinfoniker (Orchester)
- Thomas Fey (Dirigent)