DG 477 8103
1 CD • 61min • 2007, 2008
29.01.2009
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
„Grundsätzlich sehe ich mich als Komponisten, mit ein bißchen Dirigieren nebenher, um den Lebensunterhalt zu sichern.” So wird Esa-Pekka Salonen im Booklet dieser Produktion zitiert. Da fallen mir jäh die sprichwörtlichen Schuppen von den Augen: Hätte ich also deshalb immer und überall, wo ich dem dirigentischen Treiben dieses Musikers begegnet bin, dasselbe „pelzige Gefühl” gehabt wie nach einer guten Flasche Pallbuber & Söhne?
Man sollte eben aufpassen, was man wo und wie oft sagt! Es könnte nachher noch jemand wörtlich nehmen und auf den frevelnden Gedanken kommen, sich angesichts der aufs Geldverdienen zurückgestuften Tätigkeit, für die man womöglich im Konzertsaal oder im Plattenladen einiges hingeblättert hat, nachgerade beleidigt zu fühlen. Und wenn einem dann auch noch als Resultat der kompositorischen Hauptbeschäftigung etwas wie das vorliegende Klavierkonzert offeriert wird, steigert sich das Gefühl, verladen worden zu sein, ins Uferlose – auch dann, wenn die werbewirksamen Presse-Zitate auf der Inlay-Card eine „große, starke, geradlinige und originelle” Musik verheißen ...
Ich muß zugeben, daß ich ein derartiges Kauderwelsch in langen Jahren kaum einmal gehört habe. Und das mir, wo ich eigentlich immer versuche, irgendetwas zu entdecken, was mir den völligen Verriß ersparte – getreu der Maxime, daß ein Buch, „wenn es auch nur eine gute Seite, ein gutes Gedicht enthält”, nicht unterschlagen werden dürfe. Doch hier, und das ärgert noch mehr, versagt der beste Vorsatz, und selbst gröbster Kategorisierung sind beklemmend enge Grenzen gesetzt. Dieses Klavierkonzert nämlich ist ebensowenig „polystilistisch” wie es trotz seiner drei deutlich separierten Sätze „geformt” wäre. Statt dessen haben wir eine willkürliche Aneinanderreihung von virtuosem Wildwuchs und Momenten schöner Chatschaturjan-Seligkeit vor uns: Das angebliche Drama, in dem sich nach den Worten des Beiheftes „das Klavier unter großer Anstrengung aus dem Griff des Orchesters befreit” und, so nun der Komponist selbst, „seine eigene Sprache und Grammatik schafft” – dieses Schau=Spiel besteht wie eine konzertante Seifenoper aus allem, was nach allgemeiner Auffassung zu einem Erfolgsstück gehört, ohne irgendwie folgerichtig zu sein. Kombiniert werden ein konfuser, entwicklungsloser Solosatz mit teils wuchtig-eingängiger, nach dem Prinzip der „Mengen-Leere” aufs Hurra-Geschrei schielender Orchestration, aus der sich hin und wieder idyllische Pralinés lösen, ohne irgenwelche Konsequenzen zu zeitigen; und irgendwann endet das ganze mit dem obligatorischen Getöse.
Nun wäre es wenigstens interessant gewesen, die Publikumsresonanz zu vernehmen. Doch die wird uns denn auch noch unterschlagen: Während das neunminütig-straffe, gedrungen und wirkungsvoll gestaltete Orchestercapriccio namens Helix vom nicht-enden-wollenden Beifall eines enthusiasmierten Auditoriums kommentiert wird, fehlt am Ende des ebenfalls live mitgeschnittenen Konzerts jedwede Reaktion, so daß der inzwischen schnaubende Rezensent zwangsläufig argwöhnt, es müsse an dieser Stelle neben munterem Geklatsche der ein oder andere Ton des Unmuts auf die Akteure herniedergangen sein. Ein Wunder wär’s jedenfalls nicht!
Zur Interpretation kann ich nichts sagen. Sie wird angesichts des pianistisch hyperaktiven Widmungsträgers und des Komponisten, der als Leiter des Los Angeles Philharmonic auch bei dieser Aufführung seinen Lebensunterhalt verdiente, zweifellos authentisch sein.
Rasmus van Rijn [29.01.2009]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Esa-Pekka Salonen | ||
1 | Helix | 00:09:34 |
2 | Klavierkonzert | 00:33:16 |
5 | Dichotomie (2000) | 00:17:36 |
Interpreten der Einspielung
- Yefim Bronfman (Klavier)
- Los Angeles Philharmonic (Orchester)
- Esa-Pekka Salonen (Dirigent)