Ludwig van Beethoven Complete Works for Solo Piano Vol. 6
BIS BIS SACD-1573
1 CD/SACD stereo/surround • 73min • 2007
12.11.2008
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Über die prickelnden, in der Tat Hammer-beflügelten Beethoven-Leistungen des holländischen Pianisten Ronald Brautigam ist an dieser Stelle mehrfach berichtet, ja geschwärmt worden. Das auch editorisch ungemein engagierte Projekt einer (weiteren) Gesamtaufnahme der 32 Sonaten geht seinem Ende entgegen – und hier, im Rahmen der Folge sechs, scheint es Brautigam besonders eilig gehabt zu haben! Im Fall der Waldstein-Sonate ist man es ja längst gewohnt, dass hier die C-Dur-Akkord-Repetitionen im grenzenlosen Vertrauen auf sportliche Mechanik wie eine in die Klassik zurückverlegte Toccata serviert werden. Als einer der wenigen bedeutenden, in dieser Hinsicht vorsichtigen Makler des großen Beethoven-Deutens ist mir Claudio Arrau in seiner frühen Philips-Einspielung in Erinnerung, der sich dieser Mechanik phrasierend entgegenstellte, sich also im Tempo zurückhielt und so schon dem göttlich simplen Eingangsgedanken Würde und Gewicht verlieh. Als im Rahmen eines Zürcher Géza Anda-Wettbewerbs der hoch betagte Jury-Präsident Sándor Végh mit einer japanischen Furioso-Variante konfrontiert wurde, zischelte er (im Saal gut hörbar!) entnervt in die Runde: „Intercity“!
Zurück zu Brautigams flotter, konventionell geschmeidiger, dabei – Hut ab! – sehr genauer, für jede Kleinigkeit haftende Bekanntgabe des Kopfsatzes. Natürlich wissen wir nicht, wie Beethoven diese, ob ihrer unkontrapunktischen Einförmigkeit von Glenn Gould ungeliebte Sonate verstanden wissen wollte. Im knappen Mittelsatz fehlt es unter den Händen des Pianisten nicht an Atmosphäre und auch der Finalsatz kommt in seinen sinnlichen wie muskulösen Partien überzeugend, weil im Detail treffsicher und im Ganzen atmosphärisch dicht aus den Lautsprechern.
Wenn von extremen Zeitmaßen die Rede sein muss, dann vor allem im Fall des Finales aus der F-Dur-Sonate op. 54. Oft, ja fast immer gleitet dieser im „Perpetuum mobile“-Stil abgefasste Satz den Ausführenden aus der rechten Hand – zumal im Fieber einer öffentlichen Darbietung. Brautigam schlägt ein verwegenes Tempo an und hält es auf bewundernswerte Weise auch durch. Aber unter diesen Umständen haftet der Musik etwas (fast) Unangenehmes in Richtung Spieldose an, Momente einer klavieristischer Musikbox, die auch der hochtourigen Anlage der „Appassionata“ zu attestieren sind. Schnelligkeit ist im Verlauf dieser Leidenschafts-Studie nur an wenigen Stellen ein fruchtbares Rezept, um Intensität zu erzeugen, schon gar nicht, um Spannung auf hohem Pegel durchgehend zu gewährleisten. So erlebe ich den wie im Vorbeigehen angetupften Beginn als Dreiklangsbrechungen und Trillerfloskeln von enttäuschender Normalität, keine Spur also etwa von der gedanklichen und manuellen Anspannung, wie sie vor allem die amerikanische Studio-Aufnahme Sviatoslav Richters auszeichnet (RCA).
Brautigam also bewegt sich in dieser Phase seiner Beethoven-Mission auf der hurtigen Seite, wodurch der zweite Satz der Fis-Dur-Sonate immerhin nicht wesentlich in seinen dicht komponierten Mikrostrukturen bedroht wird. Pluspunkte am Ende des Programmes, denn die burschikosen Elemente der deutschtümelnden Sonate op. 79 gewinnen, wenn ein Pianist richtig zupackt und die germanischen Puppen richtig tanzen lässt.
Peter Cossé † [12.11.2008]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Ludwig van Beethoven | ||
1 | Klaviersonate Nr. 21 C-Dur op. 53 (Waldstein-Sonate) | 00:22:41 |
4 | Klaviersonate Nr. 22 F-Dur op. 54 | 00:09:38 |
6 | Klaviersonate Nr. 23 f-Moll op. 57 (Appassionata) | 00:20:55 |
9 | Klaviersonate Nr. 24 Fis-Dur op. 78 | 00:09:40 |
11 | Klaviersonate Nr. 25 G-Dur op. 79 | 00:08:41 |
Interpreten der Einspielung
- Ronald Brautigam (Fortepiano)