Zeitgenossen Musik der Zeit 33

Hastedt HT 5333
1 CD • 79min • 1981, 2007, 1984, 1987, 1991
12.09.2008
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Kultur steht immer in spezifischen Rahmenbedingungen, und ein Kulturschaffender ist immer ein Kind seiner Zeit. Insofern ist es von Wert, wenn sich die Edition „Zeitgenossen – Musik der Zeit“ z.B. auf das kulturelle Feld der ehemaligen DDR konzentriert und dokumentarische Tonaufnahmen herausbringt, deren geistiges Umfeld heute bereits fern scheint. Die Musik von Ralf Hoyer (Jg. 1950), Meisterschüler des Hanns-Eisler-Meisterschülers Georg Katzer, vermittelt etwas vom Lebensgefühl wie auch von den geistigen und gesellschaftlichen Werten, in denen sie entstand. Zwischen spröd-herben Avantgardismen, gewürzt mit gelegentlich hämmernden Neoklassizismen und mitunter volksnah aufbrechendem Tonfall exponiert Hoyer eine eigenwillige wie glaubwürdige Tonsprache, die ihre Herkunft nicht schmäht, ihr aber auch nicht nur huldigt. Cluster und eine strenge Organisation des Materials, durchsetzt mit gelegentlich plakativen, vielleicht politisch motivierten Momenten, bestimmen die acht Fantasiestücke für Violine und Klavier, die Hoyer jeweils wie musikalische „Skulpturen“ verstanden haben möchte. Extremer und experimenteller gibt sich Studie 4 für Kontrabass, die von einem komplexen, aus über 600 Tonbandschnipseln mit Kontrabassklängen entstandenem Tonband begleitet wird. Die Epigramme Gehauen und gestichelt nach Worten von Henryk Keisch stimmen in ihrer knappen Pointierung im Neo-Brecht-Tonfall, wirken in ihrer moralisierenden Essenz allerdings heute eher als originelle Versteinerungen von DDR-Kultur. Bei aller historischen Distanz und unfreiwilligen Komik, die diese Stücke heute umgibt, sticht doch Hoyers stilistische Bandbreite bei der Chorbehandlung ebenso hervor wie die gestische Effektivität, mit der er die Aussagen der Texte auf den Punkt bringt. Das gilt auch für seine 1987, also kurz vor der Wende entstandenen elf Lieder nach Gedichten von Garcia-Lorca in der Übersetzung von Uwe Kolbe. Sparsame Allusionen spanischer musikalischer Archetypen, ein Melos in Schönberg-Eisler-Tradition und ein gewisses distanziertes Pathos kennzeichnen die durchaus reiche Stilistik dieser Lieder, die von Roswitha Trexler äußerst flexibel, engagiert und in der notwendigen Timbre-Vielfalt dargestellt werden. Das Kammerorchesterwerk Paralipomena zu I. transponiert Hoyers sehr ungestüme und gegen den Strich gebürstete ästhetische und wohl auch gesellschaftliche Position auf die Möglichkeiten eines größeren Ensembles, angetrieben von Tonbandexplosionen und Klavier-Clustern. Die Interpretationen wirken den Umständen entsprechend insgesamt authentisch.
Hans-Christian v. Dadelsen [12.09.2008]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Ralf Hoyer | ||
1 | Skulpturen für Violine und Klavier (Acht Phantasiestücke) | 00:10:55 |
9 | Studie 4 für Kontrabass und Tonband | 00:16:32 |
11 | Gehauen und gestichelt für gemischten Chor a cappella | 00:09:17 |
18 | Eine Messe für Federico | 00:29:32 |
35 | Paralipomena zu I. | 00:12:15 |
Interpreten der Einspielung
- Michael Schaller (Violine)
- Matthias Bauer (Kontrabass)
- Susanne Stelzenbach (Klavier)
- Rundfunkchor Leipzig (Chor)
- Jörg-Peter Weigle (Dirigent)
- Roswitha Trexler (Sopran)
- Ensemble Oriol (Ensemble)
- Klaus Manchen (Sprecher)
- Sebastian Gottschick (Dirigent)