Johann Sebastian Bach
Cantatas for the Complete Liturgical Year
Accent ACC 25306
1 CD • 56min • 2007
26.03.2008
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Im Ringen um Authentizität, „Originalklangì und historische Aufführungspraxis geschehen oft merkwürdigen Dinge. Hier nun geschieht es geradezu exemplarisch bei der neuen 20-CD-Edition mit Bach-Kantaten für das gesamte Kirchenjahr. Im Detail offenbart dies die vorliegende 6. Folge mit den drei Kantaten zu den beiden letzten Sonntagen der Fastenzeit „Sexagesimaì und „Estomihiì, sowie für das Fest der Marienverkündigung. Trotz durchgehend respektabler Leistungen der Sänger, Streicher und Bläser ist die Warnung fällig, daß sich die Zuhörer auf das Regiekonzept einer „chorlosenì Kantaten-Neuauflage einstellen müssen. Doch die Auflösung der traditionell besetzten Chorpartien durch ein Solostimmen-Quartett, fern jeder chorischen Klangwirkung, ist ebenso wenig überzeugend, wie es der aufführungspraktischen Weisheit letzter Schluß sein kann. Zwar bezieht sich Sigiswald Kuijken als renommierter Kenner, als verantwortlicher Dirigent der Materie anerkennend und würdigend auf Alfred Dürrs verdienstvolles Kompendium „Die Kantaten von Johann Sebastian Bachì (Bärenreiter-Verlag 1971), übersieht und überhört aber geflissentlich dessen „Besetzungsfragenì im Kapitel „Zur Aufführungspraxisì. Überlieferung, Tradition und gottesdienstliche Kantorei-Funktion werden schlicht außer Kraft gesetzt.
Die Ausstattung der Edition mit jeweils einer mehrsprachigen „Allgemeinen Einführung zum optimalen Einhören in die Bach-Kantatenì, die als Sonderbeiheft jeder einzelnen Werkfolge beigefügt ist, und einer zweiten Beilage mit jeweils speziellen Werkerläuterungen und Kantatentexten zu den einzelnen CD-Programmen erweist sich als hilfreich. Inhaltlich sind sie eine Art Zusammenfassung aller Erfahrungswerte und Bekenntnisse des Autors Sigiswald Kuijken. Sie stützen sich also auf eine vieljährige musikalische Praxis, die zugleich auf die subjektive Schau eines selbstbewußten Künstlers eingeengt ist. Mit Ausnahme einer Farbreproduktion des bekannten Haußmannschen Bachporträts von 1748 findet man jedoch weder Kuijkens Erkenntnisse bestätigende Quellenverweise, Literaturhinweise, Notenbeispiele oder Abbildungen. Angesichts des enthusiastischen Plädoyers für „seinì Violoncello da spalla im Gegensatz zum vertrauten Violoncello wäre optische Hilfe zu Einsatz und Spielhaltung nicht verkehrt gewesen. Auch Kuijkens Erkundungen zur Anwendung antiker Versmaße in den Kantatendichtungen sind zwar interessant zu lesen, entziehen sich aber einer unmittelbaren Wahrnehmung im Kontext der Bachschen Klangrede. Zusätzlich zu bedauern ist schließlich der vollständige Verzicht auf Tracknummern als wichtige Orientierungshilfe bei der Einzelauswahl von insgesamt 15 Werkteilen und ? sicherlich unbeabsichtigt, aber ärgerlich ? der fehlende Textabdruck der Sopranarie „Mein Seelenschatz ist Gottes Wortì aus der Kantate BWV 18 und der Text des dazugehörigen Schlußchorals. Kurz, Anlaß zur Diskussion, Kritik und Rüge ist gegeben, obgleich das Können und die Sorgfalt aller Mitwirkenden bei der klingenden Wiedergabe der Noten- und Textvorgaben nicht in Frage steht.
Dr. Gerhard Pätzig [26.03.2008]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Johann Sebastian Bach | ||
1 | Gleich wie der Regen und Schnee vom Himmel fällt BWV 18 | 00:13:22 |
6 | Du wahrer Gott und Davids Sohn BWV 23 (1723) | 00:19:57 |
10 | Wie schön leuchtet der Morgenstern BWV 1 | 00:22:17 |
Interpreten der Einspielung
- Siri Thornhill (Sopran)
- Petra Noskaiová (Alt)
- Marcus Ullmann (Tenor)
- Jan van der Crabben (Bass)
- La Petite Bande (Orchester)
- Sigiswald Kuijken (Dirigent)