Herbert Nobis
Kammermusik 1972 / 2002

Composers Art Label cal-13023
1 CD • 51min • [P] 2006
20.12.2007
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Der gegenwärtige Konzertbetrieb lässt nicht nur auf dem Feld der Interpretation, sondern leider auch im Bereich des zeitgenössischen Komponierens leicht den Eindruck entstehen, als existierten nur ein paar wenige „Stars“. Die großen Kompositionsaufträge gehen immer wieder an den gleichen kleinen Kreis „Auserwählter“, man spielt sich gegenseitig auf den (angeblich) maßgeblichen Festivals „Neuer“ Musik, verleiht sich Musikpreise und rühmt sich in eloquenten Elogen in der Fachpresse. Aber Halt!
Es existieren in unserem Lande tatsächlich noch Komponisten, die abseits des Business einfach gute Musik schreiben. Zu jenem Kreis möchte ich gerne den 1941 geborenen Komponisten Herbert Nobis zählen. Er war Schüler Jürg Baurs und unterrichtete selbst viele Jahre lang an der Aachener Musikhochschule. Nach der auf dem gleichen Label erschienenen CD mit Kammermusik aus den Jahren 1981-1991 (Composer’s art label, cal-13011) stellt die vorliegende Sammlung eine Auswahl von Nobis’ Kammermusik von 1972 und 2002 vor. Es ist wohl kein Zufall, dass die zeitlichen Eckpunkte drei Jahrzehnte auseinanderliegen. Bei aller stilistischen Divergenz der Werke eint sie dennoch die schöpferische Persönlichkeit des Komponisten und ein roter Faden, den ich handwerkliche Meisterschaft und Geschmack nennen möchte. Nobis’ Musik ist im besten Sinne in der Praxis verwurzelt (eine Tugend, die sie– nicht stilistisch wohlgemerkt! – in eine Reihe mit Hindemith oder Harald Genzmer stellt). Er ist sich nicht zu schade, sich ausführlich mit der Idiomatik von „Nischeninstrumenten“ wie Blockflöte oder Gitarre zu beschäftigen. Seine 2002 entstandenen Variationen über ein Minnelied Neidharts v. Reuenthal „Maienzit ane nit“ für Gitarre solo etwa zeugen von einer intimen Kenntnis des Instruments. Sie sind fantasievoll komponiert, apart in der Harmonik und nicht zuletzt von Hans-Werner Huppertz auch virtuos gespielt. Ebenso engagierte Interpreten finden die drei Motetten für gemischten Chor (1971/72) im Jungen Chor Aachen unter Fritz ter Wey. Hier knüpft der Komponist bewusst an die Stilistik der Motettenkompositionen der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts (Pepping, Rohwer u.a.) an. Staunen machen die fünf Klavierstücke „Hommage à Jelinek“. Sie demonstrieren Nobis’ Meisterschaft im Umgang mit der Dodekaphonie, indem sie der strengen, „trockenen“ Systematik dieser Satztechnik überraschende Sinnlichkeit und motivische Vielfalt der Invention abringen.
Es liegt im Wesen von Kompilationen – insbesondere von Portraits, die die Entwicklung bzw. die Bandbreite eines Musikers oder Komponisten über einen längeren Zeitraum verdeutlichen möchten, dass Aufnahmen von verschiedener Qualität zusammenkommen. Eine gewisse Uneinheitlichkeit ist damit meist unvermeidlich (und gerade heutige Komponisten können sich ihre Interpreten bzw. Tontechniker nicht immer aussuchen, ja, sie müssen meist dankbar sein, überhaupt aufgeführt bzw. aufgenommen zu werden!).
Erfreulicherweise ist die Schwankungsbreite bezüglich des interpretatorischen Niveaus auf der vorliegenden CD recht klein. Ein bedauerlicher Ausrutscher, die Tontechnik betreffend, stellt jedoch der Liederzyklus „Ein Leuchten liegt auf dem Land“ dar. Nobis’ verhaltene, so fein gezeichnete und von Corby Welch und Ulla Graf souverän gestaltete atmosphärische Musik leidet unter dem trockenen Wohnzimmerambiente einer unprofessionellen Klangregie. Das für mich am wenigsten interessante (und wegen intonatorischer Ungenauigkeiten wohl auch am wenigsten gut gespielte) Werk der CD mag „Per Quattro“ für Blechbläser sein. Mit dem beschließenden, spielerischen 1. Streichquartett von 1972 aber zeigt sich Nobis als fest in der Tradition verwurzelter und doch Neuem stets aufgeschlossener Komponist.
Besonders gefallen hat mir auch das zweisprachige Beiheft (dt./engl.): Alle Stücke wurden vom Komponisten mit konzisen, konzentrierten Kommentaren und je einem Notenbeispiel versehen. Kein Wort zuviel und keines zu wenig! Sicher erhebt keines der Stücke den Anspruch des Spektakulären, aber es ist stets – einfach gute Musik!
Heinz Braun † [20.12.2007]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Herbert Nobis | ||
1 | Maienzit ane nit | 00:09:06 |
2 | Drei Motetten für Chor a cappella (1971/1972) | 00:07:47 |
5 | Hommage à Jelinek (Fünf Klavierstücke mit einer Reihe) | 00:04:29 |
10 | Ein Leuchten liegt auf dem Land (Fünf Lieder nach Gedichten von Sabine Rother) | 00:09:51 |
15 | Per Quattro | 00:08:21 |
18 | Streichquartett Nr. 1 | 00:10:52 |
Interpreten der Einspielung
- Hans-Werner Huppertz (Gitarre)
- Der Junge Chor Aachen (Chor)
- Fritz ter Wey (Leitung)
- Ulla Graf (Klavier)
- Corby Welch (Tenor)
- Harry Ries (Posaune)
- Sander Hendrix (Posaune)
- Anna Freeman (Trompete)
- Ralf Schmuck (Trompete)
- Thorand-Quartett (Ensemble)