cpo 777 197-2
1 CD • 78min • 2005
10.08.2007
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Die adventlichen Abendmusiken in der Lübecker Marienkirche gehörten seit ihrer Einführung im Jahr 1664 durch Franz Tunder, Buxtehudes Vorgänger, zu den weithin bekannten Attraktionen des Kulturlebens der Hansestadt. Gelegentlich lockten sie eine derartige Menge Zuhörer in das geräumige Gotteshaus, dass die Polizei für Ordnung sorgen musste. Der 20-jährige Johann Sebastian Bach überschritt 1705 die für die Reise zu Buxtehude zugestandene Urlaubszeit nicht zuletzt deswegen beträchtlich, um dieser großartigen Veranstaltungen noch teilhaftig werden zu können.
Das Oratorium Das Jüngste Gericht ist nur in einer undatierten anonymen Abschrift überliefert, so dass die Autorenschaft Buxtehudes nicht zweifelsfrei gesichert ist. Doch spricht schon die Herkunft dieses Manuskriptes dafür, dass das Stück, wenn nicht von Buxtehude selbst, so doch aus seinem direkten Umfeld stammt: Die Handschrift gehörte der Musikaliensammlung des Stockholmer Hofkapellmeisters Gustav Düben an, der ein enger Freund Buxtehudes war und für seine kirchenmusikalische Praxis ausgesprochen gern auf Werke des Lübecker Kollegen zurückgriff.
Das Argument, dass die Komposition an kontrapunktischer Raffinesse nicht ganz mit den übrigen Schöpfungen des Lübecker Marienorganisten mithalten könne, sticht ebenso wenig als Beweis, da das Werk nicht für eine kleine Schar intellektuell gebildeter Kenner bestimmt war sondern für ein breites Publikum. Hier war eine der wenigen Gelegenheiten, ein geistliches Musikdrama vorzuführen, das mit der in Deutschland noch jungen Gattung der Oper mithalten konnte.
Während Ton Koopman in seiner Interpretation den musikdramatischen Aspekt des Werkes in den Vordergrund rückt und eine geradezu mitreißende Version als geistliche Oper liefert, richtet Roland Wilson einen liebevollen Blick auf die doppelte Natur des Stückes als geistliche und dramatische Musik.
Manfred Cordes liefert auf einer CD eine Kurzversion der Komposition, er versteht seine Fassung dennoch nicht als "Querschnitt" im Sinne der Zusammenfassungen langer Opern auf das Fassungsvermögen einer Langspielplatte, die dann die Leckerbissen aus beliebten Opern präsentierten. Mit seiner "Straffung" (so Cordes selbst) des überlieferten Materials soll lediglich eine konzise Version des Werkes dargeboten werden, dessen Überlieferung in der Stockholmer Notensammlung zuviel Material für eine Abendmusik enthält. Möglicherweise hat Gustav Düben aus einem umfangreicheren Material, das mit Stücken für fünf Konzerte ausreichend Musik für Abendmusiken einer ganzen Adventswoche unter dem Thema des Jüngsten Gerichts enthielt, nur die Teile kopiert, die ihm als Versatzstücke für eigene Zwecke geeignet schienen. Weder Buxtehude noch Düben selbst hätten einen solch pragmatischen Umgang mit Werken fremder Provenienz für eigene Aufführungszwecke in irgendeiner Weise als unpassend empfunden.
Auf diese Weise erhält auch die Straffung, mit der Manfred Cordes das Werk auf die Länge eines adventlichen Abendkonzerts eingerichtet hat, die Weihen einer gewissen Authentizität. Die Eindringlichkeit seiner Darstellung hebt diese CD über beide Vorgängerversionen hinaus: Koopmans Version wirkt, verglichen mit der Interpretation von Weser Renaissance und gewiss gegen seine eigenen Intentionen, oberflächlich theatralisch; Wilson scheint philologisch korrekt und mit ein wenig Furcht zu agieren, zuviel anglikanische Pracht in seine Interpretation zu packen.
Eindringlichkeit und Innigkeit, die gemeinsam mit unvergleichlicher kompositorischer Meisterschaft gewissermaßen die Dreieinigkeit der norddeutschen Kirchenmusik des 17. Jahrhunderts ausmachen und die sich in Dietrich Buxtehude zu einer letzten Hochblüte vor dem Schaffen Johann Sebastian Bachs vereinen, werden in dieser Einspielung präsent wie seit langem nicht mehr.
Detmar Huchting [10.08.2007]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Dietrich Buxtehude | ||
1 | Das Jüngste Gericht |
Interpreten der Einspielung
- Ulrike Hofbauer (Die gute Seele - Sopran, Der Geiz - Sopran)
- Monika Mauch (Die böse Seele - Sopran, Die Hoffarth - Sopran)
- Henning Voss (Altus)
- Margret Hunter (Die Leichtfertigkeit - Sopran)
- Hans-Jörg Mammel (Christus - Tenor)
- Harry van der Kamp (Die Göttliche Stimme - Baß)
- Olaf Tetampel (Bass)
- Weser-Renaissance (Orchester)
- Jörg Jacobi (Bass)
- Manfred Cordes (Dirigent)