Naxos 8.557430
1 CD • 56min • 2005
02.04.2007
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
„Lassen Sie es mich unmissverständlich ausdrücken: Marin Alsop gehört zu den besten Dirigenten dieser Erde“, so Stephen Pettit 2005 im Evening Standard. Demnach war es nur eine Frage der Zeit, bis Marin Alsop als erste Frau einem großen amerikanischen Orchester vorstehen würde. Ab der Saison 2007/08 wird sie nun das Baltimore Symphony Orchestra leiten. Neben zahlreichen Auszeichnungen bringt sie unter anderem Einspielungen von Brahms-Sinfonien mit; die Aufnahmen der ersten beiden Sinfonien mit dem London Philharmonic Orchestra für das Label Naxos wurden von der internationalen Kritik bereits hoch gelobt. Jetzt liegt auch die dritte Sinfonie vor, wieder mit den sehr straff, präzise und in leuchtenden Klangfarben musizierenden Londonern und mit einer Dirigentin, die die Partitur genau beachtet und sie bis in die hintersten Winkel eindrucksvoll auszuleuchten versteht.
Zunächst einmal besticht die Aufnahme durch enorme Klangfülle und bemerkenswerte Klangtransparenz. Ob kraftvolle Bässe, warm strahlende Streicher, differenzierte Holzbläser oder sattes Blech: Jede Stimme hebt sich deutlich ab, selbst in den vertrackten kontrapunktischen Linienführungen von Variation Nr. 8 der mit der Sinfonie gekoppelten Haydn-Variationen und deren klangprächtiger, finaler Passacaglia.
Marin Alsops Brahms-Deutung umgibt in ihrer Klarheit eine Aura der absoluten Gewissheit. Es stellt sich gar nicht erst die Frage, welche Seite der dritten Sinfonie Alsop besonders betont, das Lyrische bis Melancholische oder das kraftvolle und eruptive Element. Wie in der Komposition selbst, so ist es auch in Alsops unprätentiöser, jeglichen Schwulst vermeidenden und unaufgeregt fließende Zeitmaße wählenden Interpretation spannend mitzuverfolgen, wie sich beide Seiten die Waage halten. Dabei findet die zwingende Logik des kompositorischen Aufbaus in dem punktgenauen und dynamisch akzentuierten Orchesterspiel ihre emotional ausdrucksvolle Entsprechung. Elegante Phrasierung, Klangsinnlichkeit und detailliertes Formverständnis im Großen wie im Kleinen – das sind vielleicht die passenden Worte, mit denen man auch die Herangehensweise der amerikanischen Dirigentin an die Haydn-Variationen beschreiben könnte. Hier, vor allem aber in der F-Dur-Sinfonie, sind die Brahms-typischen Themen- und Variantenbildungen jederzeit nachvollziehbar, wie auch die Entwicklung von Keimmotiven zu den Zusammenhang stiftenden Elementen: etwa der Bläsergedanke aus den ersten drei Takten des Kopfsatzes, dessen Drei-Ton-Motto den ganzen Satz stets wahrnehmbar wie ein roter Faden durchzieht. Die herrlichen Themen der gesamten Sinfonie lässt Alsop natürlich fließen und ausschwingen, arbeitet rhythmisch-metrische und harmonische Finessen ebenso wunderbar heraus, wie die groß angelegten Spannungsverläufe, beispielsweise in der dramatisch zugespitzten Durchführung und der einer verklärenden Apotheose gleichkommenden Zusammenfassung des ganzen Werks in der ruhig ausklingenden Coda des Finalsatzes.
Insgesamt gesehen legt Marin Alsop mit ihrer neuen CD eine glaubwürdige, sehr frische und ausdrucksstarke Brahms-Interpretation vor. Aber handelt es sich um eine herausragende Einspielung? Mir fehlt das wirklich Elektrisierende – bis auf eine Ausnahme: Noch nie habe ich es unter dem „frommen“ Gesang des auf den ersten Blick so harmlos erscheinenden Andantes derart unruhig brodeln gehört.
Christof Jetzschke [02.04.2007]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Johannes Brahms | ||
1 | Sinfonie Nr. 3 F-Dur op. 90 | |
2 | Haydn-Variationen B-Dur op. 56b für 2 Klaviere |
Interpreten der Einspielung
- London Philharmonia Orchestra (Orchester)
- Marin Alsop (Dirigent)