Joseph Haydn Sämtliche Sinfonien Vol. 6
hänssler CLASSIC 98.236
1 CD • 68min • 2005
19.06.2006
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Daß Heidelberg irgendwie bei Mannheim liegt, ist eine ebenso triviale wie im Kontext einer Rezension kaum hilfreiche Bemerkung. Aber es ist hier die richtige – denn mit Thomas Feys hinreißend dynamischen Heidelberger Sinfonikern klingt Haydn, als hätte die Mannheimer Schule eine Art musikalischen Leonardo da Vinci hervorgebracht! Die Intensität und Wechselhaftigkeit menschlicher Leidenschaften, die körperlich greifbare Plastizität des musikalischen Ausdrucks und der dabei immer wieder alle Schwerkraft aushebelnde Impetus der Musik erreicht hier eine Vollkommenheit und Direktheit, wie sie vergleichsweise in der Malerei oder Skulptur nur mit den exponiertesten Namen der Renaissance zu beschreiben wäre. Daß zudem Haydn ein vehementer Forscher und experimentierender Visionär war, ist zwar bekannt, aber daß dieser Faktor musikalisch beim Hörer einmal wirklich wie ein Blitz einschlägt, das garantiert in diesen so licht-düsteren wie aufregenden Interpretationen zum Beispiel der Schlußsatz der Sinfonie Nr. 49. Mit leichter Streichergeste und ein paar hingetupften Hörner-Oboen-Klängen zaubert Haydn hier so einfach eine Stilistik herbei, die sich irgendwann in ferner Zukunft „Romantik“ nennt; aber wir schreiben das Jahr 1768, und Mendelssohn, der das vielleicht ähnlich komponiert hätte, ist noch lange nicht geboren. Und im Presto der Sinfonie Nr. 52 exponiert Haydn im thematischen Widerspiel der 1. und 2. Violinen einen Off-Beat, als wolle er verfrüht den Rock-Reggae erfinden – die traditionelle Formulierung „pointiert eingesetzter Synkopen“ wird den musikalischen Fakten hier kaum wirklich gerecht! Die Impuls- und Dreh-Eleganz und die aus der Vorwärts-Rotation der Musik strömende tänzerische Energie teilt sich in Feys Interpretation so locker und fliegend mit, daß man nicht einen Moment zweifelt, daß Haydn auch das Fahrrad erfunden hätte! Bleibt da hier noch ein Moment, auch dem Ernst der Musik gerecht zu werden? Das fast zehnminütige Kopfsatz-Adagio der f-Moll-Sinfonie La Passione, hier in so sanften wie intensiven Farbschichten aufgebaut, gäbe eine Chance, aber die in ihrer Modernität ebenso verrückt wie packend wirkenden emotionalen Schnitt-Techniken, wie sie Haydn im Kopfsatz der c-Moll-Sinfonie vorführt, sind nicht minder „ernst“!
Hans-Christian v. Dadelsen [19.06.2006]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Joseph Haydn | ||
1 | Sinfonie Nr. 49 f-Moll Hob. I:49 (La Passione) | |
2 | Sinfonie Nr. 52 c-Moll Hob. I:52 | |
3 | Sinfonie Nr. 58 F-Dur Hob. I:58 |
Interpreten der Einspielung
- Heidelberger Sinfoniker (Orchester)
- Thomas Fey (Dirigent)