Ondine ODE 1065-2
1 CD • 78min • 2005
19.05.2006
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Anfangs wollte mir nicht recht einleuchten, wie Abel Hermant in seinem Szenario Ariane et Bacchus die einsam-entführte Hauptdarstellerin sich „voller Verzweiflung in die Fluten” stürzen lassen und im nächsten Augenblick den „hinter einem Felsen” wieder auftauchenden Gott küssen kann. Bis ich feststellte, daß es sich im französischen Original lediglich um die Vorkehrungen zum salzigfeuchten Selbstmord handelt („va se précipiter dans les flots”). Solches kann vorkommen, sollte aber spätestens dem Lektorat auffallen, vor allem, wenn’s im Englischen richtig steht ...
Wirkliche Einwände gegen die vorliegende Produktion sind freilich nicht zu erheben. Erstens wird als äußerst positiv empfunden, daß Christoph Eschenbach und das Orchestre de Paris nicht die bekannteren Sinfonien Nr. 3 und 4 mit den beiden Ballett-Suiten gekoppelt haben, sondern es auf den harschen Bruch zwischen den knappen Tanzsätzen und der ziemlich genau zehn Jahre älteren, riesenhaft gewachsenen zweiten Sinfonie ankommen lassen. Und zweitens ist dieser musikalisch riskante Sprung von den vornehmlich frechen, knackigen, oft grell angestrichenen
Tanzminiaturen in die großartige, düstere Welt der Sinfonie sehr schön gelungen. Die Walzerepisode des Mittelsatzes könnte ich mir zwar einen Hauch französisch-eleganter vorstellen; sonst aber ist die für ihre Zeit äußerst gewagte Musik derart überzeugend und kraftvoll eingespielt, daß es ein Vergnügen ist, sie gleich mehrfach zu hören und sich auf ihr ungewöhnliches, aber auch ungewöhnlich faszinierendes Erscheinungsbild einzulassen. Diese Musik windet sich in breiten, komplexen Strömen durch wild zerklüftete Schluchten, wird durch Hindernisse in monoton-emotionslose Ostinati gezwungen, stürzt in heftig-hektischen Rhythmen dahin, erstarrt in quasi apathischen Momenten – kein Wunder, daß das Publikum bei der Uraufführung befremdet war, denn der Eindruck, das Werk gäbe sich seine eigenen Gesetze, während es entsteht, will einfach nicht verlöschen. Wenngleich Roussel erläuterte, daß es in den drei Sätzen um die drei Lebensalter des Menschen geht, so wird man gut beraten sein, dem Verlauf der Dinge ohne jede programmatische Erwartung zu folgen: Jeder Versuch, etwas in die Ereignisse „hineinzuhören”, wirft einen sogleich aus den großen Bahnen, die der Komponist hier auf der Suche nach einer wahrhaft absoluten Musik entworfen hat. Und das wäre schade – besonders in einer Aufnahme, die die geheimnisvolle Anziehungskraft der Kreation so schön transportiert wie diese.
Rasmus van Rijn [19.05.2006]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Albert Roussel | ||
1 | Bacchus et Ariane op. 43 (Ballettsuite für Orchester Nr. 2) | |
2 | Sinfonie Nr. 2 op. 23 (1919/1921) |
Interpreten der Einspielung
- Orchestre de Paris (Orchester)
- Christoph Eschenbach (Dirigent)