DG 00289 447 5413
1 CD • 51min • 2003, 2004
10.04.2006
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
In Erinnerung sind Krystian Zimermans Live-Aufnahmen der beiden Brahms-Klavierkonzerte mit den Wiener Philharmonikern unter der treibenden, ja triebhaften Leitung von Leonard Bernstein (DG). Damals – per Ton und per Bild – schien der an sich auf Zurückhaltung, auf jung-professorale Aura bedachte Pianist von der Fieberhaftigkeit des Dirigenten erhitzt und beflügelt worden zu sein. Kaum je sind diese Konzerte so befeuernd und zugleich säuberlich übermittelt worden. Nun bietet Zimerman das d-Moll-Konzert mit den Berliner Philharmonikern und dem Dirigenten Sir Simon Rattle – und man kann davon ausgehen, dass der extrem selbstkritische, in allen Publikationsfragen zögerliche Pianist eine gewisse gedankliche Wegstrecke zurückgelegt hat, ehe er sich für eine Herausgabe dieses Quasi-Mitschnitts entschlossen hat.
Allen Zimerman-Freunden, allen Brahms-Enthusiasten ist eine spannungsvoll-gedehnte, gleichsam zeitlupenhafte Darstellung des d-Moll-Konzerts anzukündigen mit immerhin 51 Minuten Spieldauer. Das Werk – so meine ich – verträgt geballte, intensive Langsamkeit, wobei es ja in Wahrheit nicht um Tempodosierung geht, sondern – im Sinne Celibidaches – um erfüllte, erlebte Zeit. Und Zimerman gelingt es von den ersten melodischen Doppelgriffen an, eine Atmosphäre der vitalen Nachdenklichkeit anzustiften und durchzuhalten. Im Folgenden entfaltet sich im üppigen, gleichwohl luziden Klangraum der Berliner Philharmoniker ein Klavier/Orchester-Schauspiel von packender Plastizität, mit ungeahnten Möglichkeiten, selbst kleinste Details etwa im reibungsvollen Detail der klavieristischen Sekund-Intervalle, der orchestralen Binnenverschiebungen zu verfolgen. Im Mittelsatz bewegt man sich am Rande des Stillstandes, aber es gelingt allen Beteiligten, noch im Stockenden und im Verblassenden die Keime des Vitalen zu beschwören. Umso mehr an Wirkung gewinnt dann der dritte Satz im kontrollierten Schwung von markanter „Handarbeit“ und orchestraler Kollektivbegeisterung.
Im Vergleich zur gerade erschienen Einspielung (beider Konzerte) mit Nelson Freire und dem Gewandhausorchester Leipzig unter der Leitung von Riccardo Chailly ist die Zimerman-Version des d-Moll-Konzerts als die überlegtere, philosophischere zu bezeichnen, während Freire nervöser, ungeduldiger agiert. Zimerman – so möchte ich es zusammenfassen – spielt über das Klavier hinaus, sucht Brahms in einer ideellen Atmosphäre zu erfühlen, während Freire als Vollblutpianist sein Instrument zum Klingen und zum Vibrieren bringt.
Vergleichsaufnahme: Freire – Chailly (Decca 475 7637)
Peter Cossé † [10.04.2006]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Johannes Brahms | ||
1 | Konzert Nr. 1 d-Moll op. 15 für Klavier und Orchester |
Interpreten der Einspielung
- Krystian Zimerman (Klavier)
- Berliner Philharmoniker (Orchester)
- Sir Simon Rattle (Dirigent)