Decca 476 282-0
1 CD • 81min • 2002
10.03.2006
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Die Kunst des Klavierspiels und die Sehnsucht nach Erfüllung mit den großen Komponisten des sogenannten Abendlandes lässt sich zum Glück nicht auf (mittel)europäische Herkunft eingrenzen. In den 70er Jahren gewann ein Libanese den Brüsseler Concours Reine Elisabeth (Rahman El Bacha), der französische Pianist Cyprien Katsaris konnte sich auf ferne zypriotische Herkunft berufen, aus der Türkei kam das Klavierduo Pekinel und der faszinierende Klaviervirtuose (und Komponist) Fazil Say – und in den letzten Jahren folgten einer ganzen Reihe von japanischen Künstlern die fleißigen, technisch ungemein versierten Konkurrenten aus Korea und China, von denen Lang Lang und Yundi Li inzwischen den weltweiten Durchbruch geschafft haben. Nun wirbt ein 30-jähriger aus Teheran um die Gunst der Hörer. Er studierte in Mailand und an der Pianisten-Akademie in Imola, in seinen Perspektiven unterstützt in Meisterkursen bei Alexis Weissenberg, András Schiff, Robert Levin und vor allen anderen bei Rosalyn Tureck. Ihr – „der Stimme Bachs“ – widmet Ramin Bahrami seine aufgeregte, in den schnellen Passagen aufgewühlte Interpretation der Goldberg-Variationen. Wie das hurtige Tempo der ersten Variation und die eingestreuten Zusatzverzierungen zeigen, könnten aber auch die beiden Einspielungen Weissenbergs eine Vorbildrolle für Bahramis unbekümmertes, drängendes Wirken im Wechsel und im Strudel dieses Variationengebäudes gespielt haben. Seine Technik wirkt etwas ungeschmeidig (etwa im Vergleich zu den Bach-Verkündungen eines Andras Schiff und anderer namhafter Goldberg-Besteiger), nicht immer überlegt in der Plazierung des Jetzigen und des jeweilig Folgenden, aber man spürt seine Begeisterung für das Ganze, für die Ungewöhnlichkeit einer Aufgabe, die ihn – den Perser – in ein fremdes, aber auf brisante Weise auch vertrautes Riesengebäude führt. Von einem Gebäude ist auch im eigenwilligen Begleittext von Alexandro Taverna zu lesen, der die Goldberg-Variationen als einen „Wolkenkratzer“ bezeichnet. In diesem Sinne spielt sich Bahrami bis in die höchsten Etagen, freilich nicht ohne Schweißperlen auf den ratternden Fingern, aber stets glaubwürdig in seinem Engagement für die Schönheiten und klaviertechnischen Absurditäten des Werkes. Ein Nebeneffekt dieser Edition: man möchte diesen Iraner – zumal in Zeiten politischer Kalamitäten – einmal live auf dem Podium erleben.
Peter Cossé † [10.03.2006]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Johann Sebastian Bach | ||
1 | Goldberg-Variationen BWV 988 |
Interpreten der Einspielung
- Ramin Bahrami (Klavier)