Ondine ODE 1066-2D
2 CD • 2h 08min • 1984
22.03.2006
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
„Was wollte uns der Dichter damit sagen?” – Diese unselige Frage aus dem Schulunterricht drängt sich angesichts eines Opernlibrettos auf, das in der Zukunft spielend eine 600 Jahre alte Historie repetiert und dabei zur moralischen Nutzanwendung für die Gegenwart bestimmt scheint. „Eine Chronik der kommenden Eiszeit für das Musiktheater“ heißt der Untertitel des Werkes, das auf einem Hörspiel (1974) des finnischen Schriftstellers Paavo Haavikko basiert und von diesem selbst in Zusammenarbeit mit dem Komponisten Aulis Sallinen für die Opernbühne eingerichtet wurde.
Der englische König, sein Premierminister, seine Armee und vier potentielle Bräute fliehen über den zugefrorenen Kanal nach Frankreich, um Paris zu erobern und machen zwischenzeitlich in Calais Station. Letztere Episode hat schon vorher Dramatiker und Komponisten inspiriert. Haavikko spielt mit Andeutungen, ironischen Bezügen, Allegorien, aber seine Aussagen bleiben immer vieldeutig. Haben wir es mit einer Komödie, einer Satire oder einem düsteren Endzeitdrama zu tun?
Als eine phantastische Erzählung begriff es jedenfalls Sallinen, als er sich an die Vertonung machte, eine finnisch-englische Auftragsarbeit für die Opernfestspiele in Savonlinna (UA 1984), das Royal Opera House Covent Garden (EA 1987) und die BBC.
Man hat den Opernkomponisten Sallinen (Jg. 1935), einen Schüler von Aarre Merikanto und Jonas Kokonnen, mit Menotti verglichen. Und das ist nicht ganz falsch in Hinblick auf seinen Theatersinn, seinen handwerklich souveränen Eklektizismus und sein Festhalten an Kantilene und Harmonie. Sallinen selbst hat „einen kontrolliert labilen Musikgeschmack” für sich reklamiert. Er arbeitet überwiegend deskriptiv, schafft Atmosphäre und Spannung mit reich variiertem Schlagwerk und läßt die Sänger mal im Parlando der alten Buffa konversieren, mal im üppigen Puccini-Melos schwelgen.
Für die Ersteinspielung, die auf eine Bühnenproduktion in Helsinki zurückgeht, zeichnet der Uraufführungsdirigent Okko Kamu verantwortlich, der auch sonst bestens mit Sallinens Oeuvre vertraut ist. Das Orchesterspiel ist opulent und dramatisch effektiv. Das Sängerensemble ist in allen Positionen solide, doch sind die Stimmen des Baritons Tommi Hakala und des Bassisten Jyrki Korhonen zu eigenschaftslos und farbenarm, um die ausgedehnten Diskussionen zwischen dem König und seinem Premierminister dauerhaft zu beleben. Am stärksten prägt sich die Mezzosopranistin Lilli Paasikivi als wirklichkeitsentrückte Caroline Tammatukka (Stutenhaar) ein.
Ekkehard Pluta [22.03.2006]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Aulis Sallinen | ||
1 | The King Goes Forth to France op. 53 (Oper in drei Akten) |
Interpreten der Einspielung
- Tommi Hakala (Der Prinz und künftige König - Bariton)
- Jyrki Korhonen (Der Premierminister, gleichzeitig sein eigener Sohn und Nach)
- Riikka Rantanen (Caroline Fröhlich - Sopran)
- Lilli Paasikivi (Caroline Stutenhaar - Mezzosopran)
- Mari Palo (Anne die Diebin - Sopran)
- Laura Nykänen (Anne die Stripperin - Alt)
- Jyrki Anttila (Fremdenführer - Tenor)
- Herman Wallén (Ein englischer Bogenschütze - Bariton)
- Kirsi Thum (Die Königin - Sopran)
- Finnish Philharmonic Choir (Chor)
- Tapiola Chamber Choir (Chor)
- Helsinki Philharmonic Orchestra (Orchester)
- Okko Kamu (Dirigent)