
Aeolus AE-10027
1 CD • 74min • 2005
15.03.2006
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
In seinem teils hoffnungsvoll aufklärerischen, teils galanten Zeitalter muß sich der hochbegabte Musiker Johann Wilhelm Hertel (1727 – 1789) sehr wohlgefühlt haben. Er, der frühzeitig eine gründliche Ausbildung erhielt, verkehrte bald nicht nur mit den besten Musikern seiner Zeit, darunter Carl Philipp Emanuel Bach sowie den Gebrüdern Graun, sondern auch mit namhaften Literaten und Philosophen wie Lessing, Sulzer und Ramler. Sowohl als Verfasser geistreicher Schriften wie auch als Komponist erhielt er höchste Anerkennung; Gerber zählt ihn sogar „zu unseren geschmackvollsten Komponisten, sowohl was die Instrumental- als Vokalmusik anlangt“.
Als einen Musiker zwischen Geistreichtum und Geschmack stellt ihn auch die sorgfältig musizierte Schallplatten-Initiative des Main-Barockorchesters Frankfurt vor; aufgenommen wurden neben zwei Sinfonien auch drei Konzerte für unterschiedliche Solo-Instrumente. Alle drei Solisten sind von höchster Qualität, und wurden vorbildlich in die Totale integriert; selbst die herrliche, zarte, doch tonlich überaus reiche Harfe von 1770, die Johanna Seitz spielt, setzt sich im F-Dur-Konzert mühelos durch, ohne das Ensemble zu dominieren. Auch der Geiger Martin Jopp sowie Meike Güldenhaupt, die Solisten des herben Oboenkonzertes g-Moll, artikulieren phantasievoll und mit anspringendem Temperament.
Dennoch bleibt die Frage, ob diese Frankfurter Spielarten nicht noch einen Mehrwert an Ausdruck an diesen bemerkenswerten Stücken hätte entdecken können. Der Hörer, der vor allem ein technisch perfektes Musizieren nach den zur Zeit herrschenden Ansprüchen der Historisierenden Aufführungspraxis erwartet, dürfte zufrieden sein; und keineswegs sind die Konventionen dieser gegenwärtig äußerst dominanten Stilistik hier etwa bloß mechanisch befolgt. Im Gegenteil gefallen einige bewußt kühl oder fahl gespielte Stellen, und besonders viel können die Frankfurter mit den harschen Passagen gerade des Oboenkonzertes anfangen.
Eine größeres Augenmerk auf die horizontale Dimension, die gesanglichen Linien nämlich, hätte aber noch weitaus größere Intensität erzielen können; dazu hätte man jedoch einmal Bögen über mehrere Takte hinweg spinnen müssen, nicht jeden Bogen jeweils nach nur wenigen Tönen unterbrechen dürfen. Ein bißchen Mut zur heute so wenig opportunen Gesanglichkeit, anstatt orthodox die obskuren Regeln musikalischer „Rhetorik“ zu befolgen, hätte man den Frankfurter wünschen können. Das Resultat wäre wohlgemerkt eine größere Palette an Artikulationsmöglichkeiten gewesen, nicht etwa eine engere, und damit eine noch höhere Präsenz des Hertel’schen Kontrapunktes. So ist dieses Porträt tendenziell etwas eindimensional geraten – wenn auch auf hohem Niveau.
Prof. Michael B. Weiß [15.03.2006]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Johann Wilhelm Hertel | ||
1 | Sinfonia à 4 A-Dur | |
2 | Concerto per la Harpa ò Cembalo F-Dur | |
3 | Concerto per il violino B-Dur | |
4 | Concerto à 5 g-Moll | |
5 | Sinfonia à 4 F-Dur |
Interpreten der Einspielung
- Johanna Seitz (Harfe)
- Meike Güldenhaupt (Oboe)
- Martin Jopp (Violine)
- Main Barockorchester Frankfurt (Orchester)