cpo 777 066-2
1 CD • 75min • 2005
30.08.2006
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Es mag verfrüht sein, von einer (längst überfälligen) echten Joseph-Marx-Renaissance zu sprechen, doch mehren sich die Anzeichen dafür, dass man Persönlichkeit und Werk des 1964 verstorbenen „Führers des musikalischen Österreichs“ (wie ihn Furtwängler 1952 nannte) endlich wiederzuentdecken und zu würdigen beginnt. Ohne Frage standen Marx’ unerschrockene Opposition gegen den Schönberg-Kreis und sein entschiedenes Eintreten für die Tonalität als universelles Naturgesetz, die dem Komponisten den Ruf eines „Erzkonservativen“ eintrugen, ein halbes Jahrhundert lang einer angemessenen Rezeption seines Schaffens im Wege. Nun scheint die Zeit reif zu sein für eine Neubewertung. CD-Einspielungen (etwa die verdienstvolle Serie von ASV) und die Veröffentlichung von Studienpartituren (in der Reihe „Repertoire Explorer“) geben den Blick frei auf ein meisterhaftes Œuvre, das weit über die allzeit geschätzten Klavierlieder hinausreicht.
Die drei Streichquartette entstanden in den 30er Jahren, als sich Marx von großformatigen, spätromantisch-klangsinnlich schwelgenden Orchesterwerken zu intimeren, konzentrierteren Ausdrucksformen hinwandte. Sie bilden ein Plädoyer für eine im Untergang begriffene Musikkultur, die Marx einerseits durch den nationalsozialistischen Ungeist, andererseits durch die avantgardistischen Strömungen von Atonalität und Zwölftonmusik bedroht sah. Die Titel der Quartette „in modo antico“ und „in modo classico“ deuten den Bezug zur Vergangenheit an: Das eine huldigt mit der Verwendung von Kirchenmodi und streng linearer Satztechnik Palestrina und di Lasso, das andere stellt eine Hommage an den klassischen Stil Wiens im Sinne von Haydn, Mozart und Beethoven dar – allerdings in unverkennbar spätromantischer Klangsprache. Auch das Quartetto chromatico ist formal nach klassischem Schema angelegt, in seiner harmonischen Rastlosigkeit und leidenschaftlichen Grundstimmung scheint sich die Sehnsucht nach einer verlorenen Welt zu spiegeln.
Das Wiener Ensemble um den Geiger Thomas Christian besitzt nicht die Gelöstheit und Geschmeidigkeit des britischen Lyric Quartets, das vor sechs Jahren die Ersteinspielung vorlegte. Dafür zeichnen sich seine Wiedergaben durch Engagement und Prägnanz aus, sie stehen gleichsam ständig unter Hochspannung und servieren jedes Detail auf dem Präsentierteller, was auch durch die sehr direkte Aufnahmetechnik gefördert wird. Die meisterlichen kompositorischen Strukturen kommen vorzüglich zur Geltung, während das bei Marx so wesentliche lyrische Moment ein wenig zu kurz kommt. Ein ausführlicher, kenntnisreicher Booklettext rundet die begrüßenswerte Produktion ab.
Sixtus König † † [30.08.2006]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Joseph Marx | ||
1 | Quartetto in modo antico | |
2 | Quartetto in modo classico | |
3 | Quartetto chromatico |
Interpreten der Einspielung
- Thomas Christian Ensemble (Ensemble)