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Besprechung CD

Frauenkirche Dresden

Carus 83.188

1 CD • 67min • 2005

17.02.2006

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Nur einen Tag nach der Weihe der Dresdner Frauenkirche verkaufte Carus bereits die erste Einspielung aus dem gewaltigen und symbolträchtigen neuen „alten“ Gotteshaus. Samuel Kummer, der bereits Ende 2004 an die Frauenkirche berufen wurde, spielt an der neuen Orgel Stücke von Bach und Duruflé. Das Instrument ist mittlerweile selbst zum Besuchermagneten geworden und darf neben der obligaten Turm-Besteigung bei keinem Erstbesuch der Kirche unbeachtet bleiben. Während des Wiederaufbaus entbrannten jedoch gerade über die Orgel heftige Diskussionen. Für den Vorgängerbau fertigte der berühmte sächsische Orgelbauer des Spätbarock, Gottfried Silbermann, ein herrliches Instrument, das im Laufe der Jahrhunderte ständig „verbessert“ wurde und zum Zeitpunkt der Zerstörung 1945 kaum mehr als „Silbermann-Orgel“ zu bezeichnen war. Die Orgel-Kommission des Wiederaufbaus musste sich letzten Endes zwischen einer „historischen“ mitteldeutsch-spätbarocken und „modernen“ französisch-sinfonischen Variante entscheiden – und wählte den Mittelweg. Damit sowohl Orgelliteratur des 18. als auch 20. Jahrhunderts authentisch erklingen kann, baute der Straßburger Daniel Kern ein Instrument, das den Silbermann-Typus mit den spätromantischen sinfonischen Orgeln Cavaillé-Colls verbindet. Über das klanglich herausragende Ergebnis muss spätestens seit der Weihe im Oktober nicht mehr diskutiert werden.

Die Carus-Produktion setzt völlig auf die strahlende Klangpracht der Orgel selbst und bannt das Ergebnis zeitgemäß auf SACD. Wer jedoch annimmt, Kummer würde bekannte Highlights der Orgelliteratur mit maximaler Register-Anzahl auffahren, irrt völlig. Die Einspielung ist in allen Belangen eine außerordentlich durchdachte Produktion, bei der auf Präsentation der klanglichen und spieltechnischen Möglichkeiten des Instruments wesentlich mehr Wert gelegt wurde als auf dessen Vermarktung. Die Werkauswahl weist selbst schon auf den Spagat zwischen 18. und 20. Jahrhundert hin. Der Schwerpunkt liegt bei Bach, der 1736 selbst auf dem Vorgänger-Instrument spielte. Seine gängigen Toccaten, Präludien und Fugen werden aber zugunsten solcher Stücke ausgeklammert, die schlichtweg mehr Registrierungsaufwand verlangen und damit zunächst die barocken Klangfarben der Orgel hervorheben. Hierbei steht die Partita über „Sei gegrüßet, Jesu gütig“ deutlich im Mittelpunkt. Kummer lässt sein zweifelloses virtuoses Können zugunsten einer überzeugenden Herausarbeitung des cantus firmus innerhalb der zehn Variationen angenehm zurücktreten, und steigert die Durchsichtigkeit der Polyphonie gegenüber dem Concerto und Trio deutlich. In Fragen von Artikulation und Tempo geht er stets diplomatische Wege. Im Pièce d'orgue könnte manchem das Plenum zu dick registriert vorkommen: die Melodiestimme geht dadurch leider völlig unter, und Besitzer von Lautsprechern mit allzu dünnen Bass-Membranen seien im abschließenden „Lentement“ vor dem 32'-Fagott eindringlich gewarnt! Mit der Suite von Maurice Duruflé soll die französisch-romantische Seite der Orgel zum Klingen gebracht werden. Auch wenn Liebhaber des Werkes ohnehin zuerst den dritten Satz anhören – besonders die impressionistisch anmutenden Klang-Collagen des zweiten Satzes lassen Zweifler noch mal einen Blick ins Booklet wagen, ob es sich tatsächlich um dasselbe Instrument handelt. Überzeugend breitet Kummer die ganze Klang-Palette der Register nach orchestralem Vorbild aus, und stellt schließlich auch das Schwellwerk dezent, aber wirkungsvoll vor. Das rauschende Finale verbreitet dann eine vor allem auf Lautstärke und leicht effekthascherischer Virtuosität beruhende Sogwirkung, von der man sich erst nach den acht Sekunden Nachhall des machtvoll dröhnenden Schlussakkordes lösen kann.

Der Klang der Aufnahme ist insgesamt hervorragend: klar, natürlich und direkt, jedoch ohne den Eindruck zu erwecken, man würde direkt neben dem Spieltisch stehen. Hervorgehoben werden muss auch das informative Beiheft, welches ausführlich und fundiert über Instrument (inkl. Registrierung der eingespielten Werke) und Musik (sehr gute Werkeinführungen) berichtet. Die CD ist damit wesentlich mehr als ein bloßes Souvenir vom letzten Dresden-Besuch, und bildet sicher den Auftakt zu weiteren Einspielungen hochverdienter Künstler der Organisten-Zunft.

Tobias Gebauer [17.02.2006]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Johann Sebastian Bach
1Konzert d-Moll BWV 596 (nach Antonio Vivaldi Violinkonzert RV 522)
2Herr Jesu Christ, dich zu uns wend BWV 655
3Fantasie G-Dur BWV 572 (Pièce d'Orgue)
4Partite diverse sopra il Corale Sei gegrüßet, Jesus gütig BWV 768
Maurice Duruflé
5Suite op. 5

Interpreten der Einspielung

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