Tolstoy's Waltz
BIS 1502
1 CD • 63min • 2004
01.06.2005
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Dichter als Komponisten – das ist nichts Ungewöhnliches, auch die Deutschen kennen da einige Beispiele wie E.T.A. Hoffmann oder Nietzsche. Besonders stark scheint die künstlerische Doppelbegabung bei russischen Autoren vorhanden gewesen zu sein. Sowohl Tolstoi, der Schöpfer des Roman-Klassikers Krieg und Frieden als auch der Dramatiker Gribojedov (Verstand schafft Leiden) und noch viele andere, weniger bekannte russische Schriftsteller haben Kompositionen hinterlassen – vorwiegend Walzermelodien, was bei der Vorliebe des russischen Volks für Tanz nicht zu verwundern ist. Freilich sind das keine Walzer nach Wiener Art, sondern vorwiegend traurige Weisen in Moll, typisch für die slawisch-russische Melancholie. Unter den hier vorgeführten Exempeln heben sich die Kompositionen von Boris Pasternak vom Umfeld wesentlich ab. Während es sich bei den meisten übrigen Kompositionen um Gelegenheitswerke von gediegener künstlerischer Beschaffenheit handelt, ist bei Pasternak Tieferes und Gehaltvolleres vorzufinden. Der Schöpfer des Doktor Shivago hat ja auch ursprünglich den Musikerberuf angestrebt und eine regelrecht musikalisch-akademische Ausbildung erfahren. Pasternaks Klaviersonate, die merkbar an Skrjabin orientiert ist, stellt nicht nur das umfangreichste, sondern auch das künstlerisch wertvollste Stück des Programms dar. Die Liedkomposition des berühmten Choreographen Diaghilev sowie das Klavierstück Valse lente seines ebenso berühmten Kollegen Balanchine sind interessante Kuriositäten – nicht mehr und nicht weniger.
Die hervorragende Pianistin Lera Auerbach – soeben für ihr pianistisches und kompositorisches Werk mit dem Paul-Hindemith-Preis ausgezeichnet – führt die so gut wie unbekannten Werke mit aller Leidenschaft und Eindringlichkeit vor. Hingegen vermag der Baritonsänger Chiyuki Urano (mit drei Nummern vertreten) mit solch hohem Niveau nicht Schritt zu halten. Eine Aufnahme für Liebhaber des höchst Ausgefallenen, kaum je Gehörten.
Clemens Höslinger [01.06.2005]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Leo Tolstoy | ||
1 | Walzer F-Dur | |
Alexander Griboyedov | ||
2 | Walzer As-Dur | |
3 | Walzer e-Moll | |
Boris Pasternak | ||
4 | Prelude es-Moll | |
5 | Prelude gis-Moll | |
6 | Klaviersonate | |
Vladimir Odoyevsky | ||
7 | Sentimental Waltz | |
8 | Canon | |
9 | Lullaby | |
10 | Walzer g-Moll | |
Vasily Polenov | ||
11 | Farewell Song | |
12 | My Soul Is Dark | |
13 | To the Sea | |
Pavel Fedotov | ||
14 | My Darling | |
15 | The Little Cuckoo | |
Sergei Diaghilev | ||
16 | Do You Remember, Maria? | |
George Balanchine | ||
17 | Valse lente |
Interpreten der Einspielung
- Lera Auerbach (Klavier)
- Chiyuki Urano (Baß)