Voices of Nature
BIS 1157
1 CD • 60min • 2000
19.10.2004
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Obwohl Alfred Schnittkes "Stimmen der Natur" (Voices of Nature) nur vier Minuten des einstündigen Gesamtprogrammes beanspruchen, wurde dieser zugleich älteste Beitrag (1972) aus dem Schaffen des Komponisten zum Haupttitel der gesamten CD erkoren. Mit gewissem Recht, da es als das einzige Stück dieser hier zu hörenden, eindrucksvollen geistlichen a-cappella-Auswahl als textloses Vokalisieren von Frauenstimmen einer instrumentalen Ergänzungsfarbe durch das Vibraphon bedarf. Andererseits repräsentiert dieses Opus einen faszinierenden Ausflug und Rückgriff auf die vom Komponisten nur am Rande gepflegten Chormusik während seiner avantgardistischen Periode im Gefolge von György Ligetis Mikropolyphonie. Das klangliche Erlebnis, jenseits aller analytischen Erhellungen des Begleitheftes ohnehin aufs Zuhören angewiesen, ist ein prächtiges Zeugnis für die Stimmen- und Singkultur der Damen des schwedischen Rundfunkchores. Zugleich gibt dieser Werktitel aber auch einen Fingerzeig auf die vollkommen andere „Natur“ der vorliegenden CD mit ihren auf textgebundene, religiöse Inhalte ausgerichteten Kompositionen.
Abgesehen von den Beiträgen Arvo Pärts mit – nach seinen „wilden“ Experimentalphasen – nun vollkommen ausgereiften Meditationsklängen, erweist sich auch Schnittkes Rezitationstechnik und kompakt auf Ausdrucksfarben zielende Stilistik als eine moderne, über alles Modische hinausweisende Musiksprache. Auch sie kommt dem geistlichen Charakter der Wortvorlagen entgegen, denn sein Concerto for Choir ist keinesfalls ein den traditionellen Instrumentalkonzerten angenähertes weltliches Solo-Tutti-Virtuosenstück, sondern ein für 16stimmigen gemischten Chor konzipiertes, viersätziges Glaubensbekenntnis nach einem Text aus dem „Buch der Lamentationen“ des armenischen Dichters Gregor von Narek aus dem 10. Jahrhundert.
Bei aller geistlichen Innerlichkeit der beiden Komponisten handelt es sich in klanglich-künstlerischer Hinsicht jedoch nicht um missionarische Wortverkündigungen im Sinne einer unmittelbaren Textverständlichkeit, da mit Ausnahme eines englisch gesungenen Bibeltextes nach dem Johannes-Evangelium (Pärt; Track 8: Joh. 15,1-14) und einer italienischen Kantate nach dem Text eines Kirchenlexikons (Track 6) in orthodoxem Kirchenslawisch oder auf russisch gesungen wird. Vielmehr wird das gesamte Programm von den geschärften Chordissonanzen im Sinne einer meditativen Inbrunst und Selbstversenkung beherrscht. Das renommierte schwedische Ensemble mit seinen 33 Berufssängerinnen und Sängern brilliert dank der einfühlsamen Leitung seines Chordirektors Tonu Kaljuste (in der Tradition des stilprägenden Eric Ericson) mit einem Höchstmaß an Klarheit, Dynamik und Ausgewogenheit. Mit solch formvollendeten Darbietungen wird demonstriert, daß nur gleichrangige Chorvereinigungen eine vergleichbar wirkungsvolle Interpretation solcher anspruchsvollen Partituren garantieren können. Kirchlichen Laienchören wird eine solche Literatur – leider – verschlossen bleiben.
Dr. Gerhard Pätzig [19.10.2004]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Alfred Schnittke | ||
1 | Chorkonzert (1984/1985) | |
2 | Voices of Nature für 10 Frauenstimmen und Vibraphon (1972) | |
Arvo Pärt | ||
3 | Dopo la vittoria (Piccola Cantata, 1996/1998) | |
4 | Mother of God and Virgin (1990) | |
5 | I am the True Vine (1996) |
Interpreten der Einspielung
- Swedish Radio Choir (Chor)
- Tonu Kaljuste (Dirigent)