Decca 470 296-2
1 CD • 78min • 2003
20.04.2004
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
König Gustav Adolph von Schweden starb als Held der Protestanten auf dem Schlachtfeld des Dreißigjährigen Krieges und konnte durch die Glorifizierung eines persönlichen Martyriums den Makel des rücksichtslosen Machtpolitikers für Jahrhunderte von sich waschen. Der Monarch hinterließ eine Tochter, die ihrem Vater an Kompromißlosigkeit in nichts nachstand – Christina von Schweden entsagte dem Thron und wandte sich wieder dem römisch-katholischen Glauben zu. Die Ex-Monarchin verlegte ihre Residenz in das päpstliche Rom, wo sie eine beeindruckende kulturelle Ausstrahlung entfaltete. Dem Engagement und der Anregung dieser willensstarken und hochbegabten Frau verdankt nicht zuletzt die Bewegung der Arkadier ihr Entstehen: Sie sammelte eine Gruppe von Dichtern um sich, die ein antikes Paradies besangen und dabei die Beglücktheit der Renaissance über die Wiedererlangung der Leitbilder der als Idealzustand der Menschheit erkannten Antike mit der resignativen Einsicht des Barock verbanden, daß mit der Wiederentdeckung und Nachschöpfung eines angeblich paradiesischen Zustandes der Menschheit keine Erlösung von gegenwärtigen Problemen garantiert ist. Christina hat offensichtlich ein ganz ungewöhnlich feines Gespür für die Stimmungen ihres Epoche gehabt, denn die Bewegung der Arkadier vereinte noch nach ihrem Tod eine Elite der italienischen Künstler und wirkte weiter bis in die Epoche des jungen Händel, der als „caro Sassone“ in Italien Furore machte.
Mit Komponisten der Väter- und Großvätergeneration Händels bestreiten Andreas Scholl und die Accademia Bizantina ihr auf der vorliegenden CD veröffentlichtes Programm: Kantaten und Instrumentalstücke liefern ein überaus lebendiges Bild des römischen Musiklebens in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Ein päpstliches Verbot schloß die neuen, faszinierenden Möglichkeiten der Oper, die von Venedig bis Neapel auf der ganzen Halbinsel Triumphe feierte, für den Kirchenstaat aus, und die Arkadier ermöglichten es mit ihren überaus subtilen dramatischen Kleinformen, daß die Musikkultur des Kirchenstaates mit der avantgardistischen Entwicklung musikdramatischer Ausdrucksformen des Hochbarocks Schritt halten konnte.
Daß sich hier Vokal- und Instrumentalmusik gegenseitig befruchteten, zeigen Andreas Scholl und die Accademia Bizantina mit ihrer CD exemplarisch. Dabei ergänzt sich der künstlerische Ansatz Scholls und des Instrumentalensembles erkennbar gut: Beide wählen einen dezidiert männlichen Zugang zu den Werken, ohne daß dabei die Finesse der Werke auf der Strecke bliebe. Anmut und Charme sind allerdings die Sache der Interpreten weniger. So erinnert der Genuß dieser Aufnahme an den Genuß mancher italienischer Nachspeise, die den nordalpinen Feinschmecker belehrt, daß „süß“ und „gezuckert“ zweierlei Geschmacksrichtungen sind!
Detmar Huchting [20.04.2004]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Francesco Gasparini | ||
1 | Destati Lidia mia for Cyrus - Alto, Strings and basso continuo | |
Benedetto Marcello | ||
2 | Quando penso agli affanni for Cyrus - Alto, Strings and basso continuo | |
Bernardo Pasquini | ||
3 | Sinfonia a quattro | |
Francesco Gasparini | ||
4 | Ecco che alfin ritorno for Cyrus - Alto, Strings and basso continuo | |
Arcangelo Corelli | ||
5 | Concertino a 7 | |
Bernardo Pasquini | ||
6 | Navicella, ove ten vai | |
Pietro Paolo Bencini | ||
7 | Introduzione a quattro | |
Alessandro Scarlatti | ||
8 | Ferma omai, fugace e bella |
Interpreten der Einspielung
- Andreas Scholl (Countertenor)
- Accademia Bizantina (Orchester)
- Ottavio Dantone (Dirigent)