Ondine ODE 1032-2
2 CD • 84min • 2003
27.02.2004
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Ein Zeitungsbericht inspirierte Einojuhani Rautavaara zu dieser Oper, die 1991 in Helsinki uraufgeführt und mittlerweile auch schon an deutschen Bühnen nachgespielt wurde. Im Winter 1987 waren zwei uralte Frauen in ihrem Haus bei Turku erfroren ? zwei Zwillingsschwestern, die 70 Jahre zuvor während der russischen Revolution von Petersburg kommend eingewandert waren und ihren feudalen Lebensstil gegen einen ständig armseliger werdenden Alltag eintauschen mussten. Der Vater erschoss sich, der Bruder erhängte sich, die Mutter starb eines natürlichen Todes, die Dienerschaft zerstreute sich in alle Winde und Gäste blieben bald gänzlich aus. Doch die alten Damen lebten bis zu ihrem Tode in ihrer Scheinwelt von früher weiter, beinahe in ihrem eigenen Müll erstickend, der zudem die Ratten ins Haus holte.
Dass in einem solchen Sujet ein Theater-, ja auch ein Opernstoff liegt, ist unschwer zu erkennen. Rautavaara, als sein eigener Librettist, nimmt das Sujet zum Anlass, in Form einer ironisch-nostalgischen „tragedia buffa“ über das Wesen der Zeit zu reflektieren. Kunstreich schiebt er Traum und Wirklichkeit, Gestern und Heute ineinander. Die beiden Schwestern stehen doppelt auf der Bühne, als alte und als junge, während umgekehrt bei den Episodenfiguren jeweils zwei Personen aus verschiedenen Zeiten zu einer einzigen zusammenschmelzen.
Auringon Talo (,Das Sonnenhaus’) ist eine richtige Oper, mit einer Ouvertüre, ariosen Monologen, Duetten, Ensembles. Die Gesangsstimmen sind nach den Maßstäben der Kantabilität angelegt, während sich in der Behandlung des erzählenden und Stimmungen zaubernden Orchesters spätromantische und impressionistische Einflüsse mit modernen Kompositionstechniken und Elementen des Jazz mischen. Die Art, wie die Vergangenheit geisterhaft in die Gegenwart hineinspielt, erinnert auch etwas an Brittens The Turn of the Screw. Durch diese Einbindungen in die Tradition ist das Stück trotz seiner Doppelbödigkeit dem Verständnis des Zuhörers relativ leicht zugänglich.
Die künstlerische Umsetzung ist exzellent. Das ist in erster Linie das Verdienst des Dirigenten Mikko Franck, der das gut disponierte Orchester aus Oulu zu einem facettenreichen und immer transparenten Musizieren anhält und Rautavaaras Musik in einem stetigen sinfonischen Fluss hält, aus dem die Gesangsstimmen organisch herauswachsen. Daß die für die Schwestern eingesetzten vier Frauenstimmen im Timbre nur unwesentlich differieren, der Kontrast zwischen alt und jung sich also nicht vermittelt, mag eine vokaldramaturgische Schwäche sein, ist der musikalischen Homogenität aber unbedingt dienlich. Die gesanglichen Leistungen sind gut bis vorzüglich, vor allem dem Bariton Markus Nieminen möchte man auch in anderem Repertoire gerne wiederbegegnen.
Ekkehard Pluta [27.02.2004]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Einojuhani Rautavaara | ||
1 | The House of the Sun |
Interpreten der Einspielung
- Anna-Kristina Kaappola (Noora)
- Raija Regnell (Riina)
- Mia Huhta (Eleanor)
- Helena Juntunen (Irene)
- Ulla Raiskio (Viktooria Vilunen, Victoria von Sonnig)
- Jukka Romu (Hermesson, John von Sonnig)
- Tuomas Katajala (Vikke, Victor von Sonnig)
- Tommi Hakala (Rekku, Gregor)
- Markus Nieminen (Santeri Rissonen, Alessandro Riccioni)
- Petri Bäckström (Maximilian Holstein)
- Oulu Symphony Orchestra (Maximilian Holstein)
- Mikko Franck (Dirigent)